Jürgen Zöller trifft Klaus Mages: Südstadtbeats
Links: Klaus Mages, Mitte: Jürgen Zöller, rechts: Jörg Klemenz
Köln (kle) Vorab: Die zwei Kölner Schlagzeuger Jürgen Zöller (BAP) und Klaus Mages (Trio Rio) kannten sich vor diesem Interview-Termin nicht.
An einem sommerlich-sonnigen Vormittag traf Musikjournalist Jörg Klemenz die zwei Kölner Schlagzeuger-Legenden Jürgen Zöller (BAP) und Klaus Mages (Trio Rio) auf einen Kaffee und das ein oder andere Snare-Kästchen-Geplauder bei Frau Maher (eigentlich frau maher) am Ubierring. Das Poltern der Straßenbahnlinien 15 und 16 bot den Grundbeat für Namedropping der ganz besonderen Art, für viel Schlagzeug-Schmunzeleien und für die Frage: Bist du Rock oder bist du Jazz?
Jürgen Zöller: * 27. September 1947 in Köln
Klaus Mages: * 1959 in Nürnberg
Lieber Jürgen, lieber Klaus. Danke, dass Ihr beide Euch heute Zeit für die Stadtrevue nehmt.
Doppel-Intro
Was ist das Herzstück eines Schlagzeugs?
J: Ohne mit der Wimper zu zucken - Ganz klar die Snare. Da liegt der Groove. Obwohl es für den Laien wahrscheinlich eher die Bassdrum ist.
K: Da gehe ich voll mit. Man könnte auch notfalls allein mit der Snare zusammen mit Kollegen spielen. Mit ihr bekommst du ohne Probleme den Groove hin. Noch ein Becken dazu, und schon hast du eine Art Street-Band.
Bitte reagiert spontan auf folgende Zitate (beide stammen von Charlie Watts).
1. „Als Kind habe ich nie spielen gelernt. Eigentlich bin ich in Bands gekommen, indem ich Leuten beim Spielen zusah und sie kopierte.“
J: Wie aus der Pistole herausgeschossen - So war es auch bei mir.
2. „Ich wusste nicht, was zum Teufel Charlie Parker spielte … Mir gefiel einfach die Art und Weise, wie er spielte.“
K: Ironisch zu Jürgen – Das ist deine Lieblingswelt, nicht wahr?
J: Charlie Parker? Nein. Charlie „Bird“ Parker war einer der größten Jazz-Saxophonisten der Welt. Aber das war nicht meine Welt. Erst, als ich schon längst Musiker war, habe ich mich mit Jazz befasst.
K: Das ist ja interessant.
J: In den 1970ern, na klar, hat man einfach viel Jazz-Rock gespielt. Chick Corea, Herbie Hancock, Frank Zappa und so etwas. Meistens haben wir frei aufgespielt. Das war manchmal toll, aber manchmal leerten sich die Säle auch schneller, als einem lieb war. Es wird herzlich gelacht – Und jetzt, nach 32 Jahren Mainstream Rock’n‘Roll, habe ich den Jazz-Rock wieder für mich entdeckt.
K: Bei mir war es umgekehrt. Ich komme ursprünglich aus dem Jazz und je älter ich werde, umso mehr Rock-Musik höre ich. Lazy, Deep Purple und solche Geschichten. Das ist für mich richtig guter melodischer Rock. Früher hat mich das aber nie interessiert. Als junger Musiker schlug mein Herz eher für Latin-Jazz; da gab es ja hervorragende Sachen, die hier nur Wenige kannten: zum Beispiel das brasilianische Quartett Tamba 4. Das war zur damaligen Zeit eine andere Form von Jazz. Fusion pur. Weit weg vom US-amerikanischen Jazz.
Nochmal kurz zurück zum zweiten Zitat. Jürgen, darauf hast du spontan reagiert. Wie kam’s?
J: Weil ich mir das Schlagzeugspielen tatsächlich abgeguckt habe. 1962 habe ich meine erste Band live im Storyville in Frankfurt gesehen. Zwischendurch lief noch „Twist And Shout“ von den Beatles aus den Musikboxen. Danach war es um mich geschehen. Ich war infiziert vom Rock’n’Roll. Kurze Zeit später durfte ich dann zum Beispiel noch legendäre Bands wie Small Faces mit Steve Mariott oder auch The Yardbirds mit Jeff Beck und Jimmy Page erleben. Dabei habe ich mir genau angeschaut, wie die Schlagzeuger der Bands spielten.
Die Zitate stammen übrigens von jemandem, der heute auch gut in unsere Runde passen würde: Charlie Watts.
K: Der Gentleman. Ich mochte seinen Typus sehr gerne.
J: Total. Und sein Satz „Nenne mich nie wieder deinen Schlagzeuger!“, den er mal Mick Jagger an dessen Hoteltür an den Kopf warf, war schon der Hammer. Watts‘ Angewohnheiten waren schon sehr speziell. Seine Socken zum Beispiel habe er er – sauber zusammengefaltet und akkurat sortiert - in einem separaten Koffer transportiert, wenn er auf Tour ging. Ich war nie der große Charlie Watts-Fan, Ringo Starr war eher mein Held, aber für die Stones war Watts der perfekte Drummer.
Und jetzt Steve Jordan?
J: Er macht seinen Job bei den Stones sehr gut. Auch er spielt, wie Watts, relativ sparsam, aber er macht nicht diese „Kartoffel-Fills“ – Jürgen macht mit seinem Mund Drum-Fills nach – dädä-dede, Jordan spielt einfach etwas smoother und gleitet mehr durch die Songs. Vor allem lässt er bei der 2 und der 4 nicht immer seine Hi-Hat weg.
K: Apropos Ringo Starr: Vor kurzem habe ich die Dokumentation „Get Back“ über die Beatles gesehen. Da gibt es eine Szene, in der Paul McCartney zu Ringo geht, ihn seines Schlagzeughockers verweist und ihm vorspielt, wie er sich eine bestimmte Stelle vorstellt. Was für ein psychisch belastender Moment muss das für Ringo Starr gewesen sein. Und das nicht nur, weil der Alpha-Mensch McCartney genauso gut Schlagzeug spielen konnte wie er. In dem Moment tat Ringo Starr mir richtig leid, wie er einstecken musste.
Einstecken. Ein Thema auch für euch?
J: Ja, am Anfang bei BAP war es sehr schwierig für mich. Ein richtiger Angestellter war ich erst einmal nicht und eine wirklich finanzielle Beteiligung beispielsweise gab es für mich zunächst auch nicht. Damit hatte ich schwer zu kämpfen. Trotzdem: Ich hatte totale Lust auf BAP. Währenddessen unterhielten sich die „Alten“, die, die ausstiegen, hinter der Bühne gerne über Versicherungen oder Geldanlagen. Das ging mir gegen den Strich.
Das war nicht Rock’n’Roll.
J: Nein, auf eine gewisse Art und Weise ganz und gar nicht. Musikalisch aber schon. Natürlich wurde es grooviger und musikalisch „aufgeräumter“, als sich die Formation Mitte der 90er-Jahre veränderte – unter anderem kamen Helmut Krumminga, Michael Nass und Werner Kopal dazu. Und dennoch: Das Energielevel der 80er-Jahre haben wir um die Jahrtausendwende meiner Meinung nach nie mehr erreicht. Die Band war zu der Zeit zwar teils musikalisch minderbemittelt, aber es war geil. Es hat einfach „gebrannt“. Über den „Major“ (Klaus Heuser) kann man sagen, was man will, aber der hat die geilsten Songs geschrieben. Und in meinem Schlagzeugspiel wurde ich nie von irgendjemandem zurechtgewiesen. Das waren komfortable 27 Jahre mit BAP, die ich sehr geliebt und genossen habe.
K: Da ziehe ich meinen Hut vor dir. Ich hätte das vielleicht fünf Jahre durchgehalten. Einmal spielte ich hier in Köln mit Trio Rio im Vorprogramm von Wolf Maahn. Du, Jürgen, warst zu dieser Zeit Schlagzeuger bei ihm. Vielleicht sind wir uns hinter der Bühne kurz begegnet. Als Vorband-Schlagzeuger bekam ich allerdings an jenem Abend vom Toningenieur nur eine Mikrofon-Verstärkung für die Bassdrum und ein Overhead. Das war’s. Mit minimalster Sklavenausstattung musste ich damals spielen. Das war das Allerletzte und oftmals die bittere Realität für weniger erfolgreiche Bands. Aber der Kreis schließt sich: Kürzlich habe ich für Wolfs Bruder Hans Maahn gespielt. Da gab es vom Toningenieur ein paar Mikrofone mehr. Es wird herzlich gelacht.
In welchem Moment wurde euch klar: Das Schlagzeugspiel wird mein Leben?
J: Den einen Moment hat es bei mir nicht gegeben. Eins kam zum anderen. Und einen Plan hatte ich damals nicht. Ich bin sowieso nie ein Freund großer Pläne gewesen. Pläne zerstören meist nur den Moment der Spontaneität und die Spielfreude. Grundsätzlich habe ich jedoch nie daran gezweifelt, Schlagzeuger zu werden. Was ich aber sagen kann: Von der reinen Leidenschaft zum Beruf wurde das Schlagzeugspielen bei mir ab 1974, als ich für zwei Jahre zusammen mit einer Coverband durch die harte „Schule“ eines schweizerischen Tanzlokals gegangen bin.
K: Da warst du ja ganz schön „rock’n’roll-artig“ unterwegs. Bei mir war es ein bisschen anders. Nach meinem Abitur habe ich zunächst begonnen, in Erlangen Latein und Geschichte zu studieren. Aber eigentlich nur, um relativ schnell einzusehen, dass das nicht meine Zukunft ist. Von einem Musikerkollegen bekam ich schließlich den Tipp: Geh doch mal nach Köln an die Musikhochschule und stell dich Jiggs Whigham vor. Ab da an – mit 22 Jahren - habe ich dann gemerkt: Ich möchte Schlagzeuger werden.
Auf der einen Seite also der volksnahe Mythos der Kölschen Südstadt-Rockszene, auf der anderen Seite die Kölner Musikhochschule mit den verkopften Musikstudenten. Zwei Welten…?
K: Das waren in der Tat zwei völlig unterschiedliche Welten. Als ich zu Beginn meines Hochschullebens ein paar Mitmusiker auf Rockmusik ansprach, bekam ich von denen nur den Satz „Da bist du hier bei uns aber falsch. Wir machen nur Jazz“ zu hören. Auch Jazz-Rock war kein Thema an der Hochschule.
J: Die Hochschulstudenten haben uns Rocker oft von oben herab behandelt.
K: Das stimmt. Während meines Studiums bin ich natürlich viel zusammen mit anderen Jazzmusikern herumgekommen, wir haben Preise in Europa eingeheimst und sind für Aufnahmen in die USA und nach Kanada gereist, aber: Irgendwann ging mir diese Hybris der Jazzleute einfach nur noch auf den Senkel. Zu der Zeit ging ich dann oft ins Luxor, schaute mir Rockbands an und dachte: Wie geil ist das denn. Die schaffen es, mit drei Tönen und einem simplen Beat Messages rüberzubringen, von denen wir Jazzer nur träumen können. Das war tausendmal erotischer als ein Jazzkonzert. Theoretisch hätten wir so viel voneinander lernen können.
So ein Leben als Rockmusiker kann aber auch stark an einem zehren. 2002 kam sogar die Dokumentation „Viel passiert – Der BAP-Film“ von Wim Wenders auf die Leinwand. Irgendwann mal einen Filmriss gehabt, Jürgen?
J: Filmrisse gab es definitiv. Nicht viele, dafür umso heftiger. Überlebt habe ich sie alle. Aber Nachrichten wie „Berühmter Schlagzeuger alleine tot im Hotelzimmer in Bogotá, Kolumbien aufgefunden“ wundern mich nicht besonders. So oder so ähnlich hätte das zu einer bestimmten Zeit auch mit mir enden können.
Stattdessen hast du dich fit gehalten?
J: Ich bin ab und zu Fahrrad gefahren und Schwimmen gegangen. Allerdings geübt habe ich nie.
Du hast nie geübt?
J: Nein. Ich hasse es zu üben. – Klaus lacht, dann lacht auch Jürgen – Ich habe nie zuhause den Paradiddle oder andere Rudiments geübt. Das konnte ich nicht. Stattdessen hatte ich immer das Glück, direkt in den Bands loslegen zu können, einfach intuitiv zu spielen. Üben war für mich ein Grauen. Überhaupt wird es viel zu überbewertet. Natürlich gibt es Dinge, die du ohne Übung gar nicht schaffen kannst. Die jungen Kollegen, wie zum Beispiel Moritz Müller, die spielen mich technisch in Grund und Boden. Jedoch habe ich als Autodidakt stets die Möglichkeit genutzt, meine eigene Schlagzeugsprache, meinen eigenen Stil zu entwickeln, sodass man unverkennbar ist. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen.
K: Wir kommen da wirklich aus zwei verschiedenen Welten. Die Engagements sind mir nicht so „zugeflogen“ wie dir, Jürgen. Um die musste ich mich selber kümmern. Im Kern ging es bei mir oft um die Frage: Geht es überhaupt weiter mit dieser oder jener Band? Man musste immer eine Alternative im Ärmel haben. Und: Mein Ziel ist es stets gewesen, möglichst selbstbestimmt zwischen den beiden Welten unterwegs sein zu können und mich nicht zu intensiv an ein Projekt zu binden.
Outro
Stillstand bedeutet für mich…
J: Langeweile. Ich war in meinen jungen Jahren ein unglaublicher Zappelphilipp. Mein Spitzname war früher „Hektor-Zappel“. Mit Ruhe und Entspannung generell habe ich kein Problem, aber wenn bei mir musikalisch nichts weitergeht, ist das schlecht.
K: Aber eine Pause kann auch sehr abenteuerlich, dramatisch gut und herausfordernd für einen sein. Die Generalpause in der Musik ist ja oft etwas ganz Spannendes. In der sediert sich alles, um wieder etwas Neues entstehen zu lassen. Im Prinzip wie im normalen Leben auch.
Erschienen in der Stadtrevue