Kathrin Zukowski: mit großer Präsenz im Raum
Köln (kle) Die Sopranistin Katharina Zukowski singt im sechsten Jahr an der Oper Köln. Aktuelles ist sie in der Inszenierung von Joseph Haydns »Die Schöpfung« zu sehen und zu hören.
Ab dem 5. Oktober singen Sie in Haydns Oratorium »Die Schöpfung« eine der Hauptrollen, nämlich die des Erzengels Gabriel. Sind Sie gläubig? Ich bin spirituell. Vor allem in der Natur fühle ich mich oft ganz ruhig und bei mir. Deshalb wandere ich sehr gern. Gläubig im klassischen Sinne bin ich allerdings nicht, obwohl ich katholisch aufgewachsen bin, ein katholisches Mädchengymnasium im Erzbistum Paderborn besucht habe und bis zu meiner Firmung jeden Sonntag zusammen mit meiner Mutter zum Gottesdienst gegangen bin. Die Botschaften der Bibelgeschichten fand ich immer und finde ich nach wie vor toll. Vor einigen Jahren jedoch bin ich aus der Katholischen Kirche ausgetreten. Ich spende lieber in Eigenverantwortung für Hilfsorganisationen und weiß am Ende genau, wohin das Geld geht.
»Und Gott ruhte am siebten Tag, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte« (Gen 2,3)
Was machen Sie in Momenten der Ruhe?
Ein gutes Buch lesen. Zurzeit lese ich von Haruki Murakami »Die Stadt und ihre ungewisse Mauer«. Ein schräger Autor manchmal, aber auch sehr berührend.
Ihre Stimme ist Ihr Kapital. Was ist Ihr Albtraum als Sopranistin?
Natürlich in erster Linie ein Stimmverlust. Konkret eine Erkrankung oder eine OP im Kehlkopfbereich. Aber auch eine normale Erkältung kann schon enorme Folgen nach sich ziehen. Im Normalfall gibt es eine Zweitbesetzung, die im Worst-Case-Szenario einspringen könnte. So ein Theaterbetrieb funktioniert wie ein »normaler« Betrieb. Es gibt Plan A, B und C. Ich selbst bin schon oft für andere Sängerinnen eingesprungen. Das ist völlig okay und menschlich. Die Zeiten, in denen man sich öffentlich über plötzliche Ausfälle von Opernstars, wie zum Beispiel Maria Callas, beschwerte, sind Gott sei Dank vorbei.
Apropos Callas: »Ein traumhaftes Timbre«, »In jeder Hinsicht ein Star« oder »Die junge Sopranistin hat sich selbst übertroffen«: Das sind nur einige der zahlreichen Pressestimmen über Sie. Sind Sie eine Diva?
Gar nicht. Ich bin alles andere als eine typische Sopranistin. Natürlich möchte ich ein gewisses Niveau abliefern, und dass ich dazu in der Lage bin, weiß ich selbstverständlich auch. Aber genau in diesem Raum meines eigenen Leistungsanspruchs bewege ich mich. Ich selbst bin meine größte Kritikerin. Eine Diva ruht sich auf ihren Lorbeeren aus. Auf denen ruhe ich mich nicht aus. Als Sopranistin kann man sich das nicht erlauben. Daher bin ich stets offen für Neues. Apropos Diva: Es sind eher die Tenöre, die den Raum betreten und wissen wollen, dass alle bemerkt haben: Sie sind jetzt da. So bin ich nicht.
Eine Diva ruht sich auf ihren Lorbeeren aus. Auf denen ruhe ich mich nicht aus Katharina Zukowski
Sie sind bei Instagram zu finden, bezeichnen sich aber selber eher als analoger Typ.
Definitiv. Oper kann man am Ende nur erfahren, wenn man ihr live begegnet. Die Lebendigkeit und das Erlebnis mit den anderen Zuschauern vor Ort, das bekommst du in kein Wohnzimmer und schon gar nicht in ein Smartphone gepresst. Es ist immer anders. Die Synergien verändern sich mit jedem Mal. Und das macht Oper so aufregend und spannend. Dennoch wird sie von vielen noch immer für zu elitär gehalten, unter anderem auch aufgrund der Ticketpreise. Obwohl die sich — im Vergleich zu Rock- und Popkonzerten — im mittleren Preissegment befinden.
Regisseurin Melly Still, die in Köln mit dem Oratorium ihr Deutschlanddebüt gibt, wird »einen modernen und kritischen Blick auf den Schöpfungsmythos« werfen, verspricht die Oper. Inwiefern sind Sie ein moderner Engel Gabriel?
Grundsätzlich wurde Gabriel von Haydn stimmlich als Sopran besetzt. In unserem Kontext wird viel mit den Geschlechterrollen gespielt. Als Engel werde ich nicht mit Flügelchen auf dem Rücken ausgestattet, sondern trage als Gottes Botschafter einen Anzug. Bürokratie durch und durch sozusagen. Die äußeren Engel-Kennzeichen muss man dann schon etwas genauer an mir suchen. Aber: Es gibt sie. Wie auch Gabriels böse Seite. Und neben den tänzerischen Einlagen wird das wahrscheinlich ungewöhnlichste
Element ein vierter Erzengel sein. Ein Schwarz oder Weiß, ein Ja oder Nein, ein Er oder Sie wird es in Stills Inszenierung nicht geben. Sie verabschiedet sich von archaisch-biblischen Schubladen.
Erschienen in der Stadtrevue