Eine Stadtführung. Mit Musik.

Neuss (kle) Die Idee klingt alt: Durch Neuss spazieren gehen, dabei immer wieder Halt an einem der zahlreichen historischen Plätze der Stadt machen, um dort schließlich mithilfe eines erfahrenen Stadtführers etwas über die Geschichte der alten Zollstätte am Rhein zu erfahren. Neu an der Idee: An eben diesen historischen Plätzen Musik erleben zu können.

Katja Ulges-Stein hatte diese neue Idee der sogenannten musikalischen Stadtführung. Sie ist zu verstehen als Auftakt der 60. Neusser Kirchenmusikwochen. Ein interaktives Angebot für Musikbegeisterte sei die Führung, gleichzeitig jedoch müsse sie auch den Anspruch erheben, einen gesellschafts,- konfessions,- und religionsübergreifenden Charakter zu haben, erzählt die künstlerische Leiterin auf dem Spaziergang.

Los geht es deshalb für die kleine Runde von etwa zehn Spaziergängern unter dem Motto „Zeiten von Not und Hoffnung in der Neusser Stadtgeschichte“ in der evangelischen Christuskirche. Frau Ulges-Stein habe hier für ein paar Minuten auf ihrer kleinen Truhenorgel gespielt. Etwas von Bach und Beethoven. Das sei wundervoll gewesen, berichtete mir eine Spaziergängerin später. Ein Stau auf der A57 vermasselte mir den Beginn der Führung. Auch den Gebetsgesang des jüdischen Kantors Aaron Malinsky am Mahnmal der alten Synagoge sowie Marie Antelmann, die im Schützenmuseum sowohl eine eigene Komposition mit dem Titel „Little Butterfly“ als auch den Song „Rise Up“ von Andra Day singt und melodisch mit ihrer Ukulele unterstützt, verpasse ich.

Erst auf dem Vorplatz des Romaneum schließe ich mich der Stadtführerin Frau Dr. Stefanie Fraedrich-Nowag, Frau Ulges-Stein und den restlichen Interessierten an. In dem auffällig modernen Bau ist unter anderem auch die städtische Musikschule untergebracht. Frau Dr. Nowag spricht von der historischen Bedeutung dieses Ortes. Und während sie das so macht, dringen die Töne verschiedener Instrumente wild durcheinander aus den zum Teil geöffneten Fenstern der Schule. Hier wird geübt. Soviel steht fest. Ein paar Minuten später betreten wir den Pauline-Sels-Saal. In dem übt nämlich jeden Freitagnachmittag das Jugendsinfonieorchester. Ein besonderer Moment ist das. Der Dirigent Ralf Beckers will das gut machen mit seinen jungen Musikern, das merkt man ihm an. Das sieht man. Dynamisch schwingt der seine Arme zum „Florentiner Marsch“ von Julius Fučík. Mal hier eine Wiederholung, mal da eine Verbesserung, aber: Alles in allem hört sich das an wie bei den Profis. Die Streicherinnen und Bläser starren hochkonzentriert in ihre Notenblätter. In einem günstigen Moment verabschieden wir uns leise. Sichtlich ergriffen. Das mit diesem Ergriffen-Sein ist auch danach noch ein Thema. Zentral im Hauptschiff von St. Quirin nämlich probt der Münsterchor Neuss zusammen mit dem Krefelder Schönhausen-Chor und dem Neusser Kammerorchester. Was für ein einzigartiges Klangerlebnis. Es ist ein Privileg das erleben zu dürfen.

Schließlich ist es Frau Ulges-Stein, die mich aus meiner musikalischen Ehrfurcht mit den Worten herausreißt: „Wollen sie mich zur Christuskirche begleiten? Sie haben da doch vorhin etwas verpasst.“ Ein bisschen später dann sitze ich auf einer der alten Holzbänke in der Christuskirche. Frau Ulges-Stein spielt auf ihrer kleinen Truhenorgel. Etwas von Bach und Beethoven. Wundervoll. Das stimmt. 


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