Außerirdisch - Udo Lindenberg begeistert in Köln
Köln (kle) Um es gleich vorwegzunehmen: Was für eine Show. Sie beginnt auf der riesigen Bühnenleinwand. Zu sehen ist ein riesiger Jumbo-Jet. Der stürzt aus dem Weltall herunter auf die Erde. Ohrenbetäubend. Irgendwo dazwischen zu sehen: Ein Astronaut. Der schwebt orientierungslos in der Hemisphäre. Dann geht plötzlich alles sehr schnell: Der Jet landet. Das Panikorchester betritt die Bühne. Ein kurzes Schlagzeug Fill-In, ein fettes E-Gitarrenriff. Und dann wird er an einer nachgebauten Marssonde von der Bühnendecke heruntergelassen. Udo Lindenberg. „Woddy Woddy Wodka war sein Treibstoff“ singt er. Die Menge jubelt frenetisch.
Viel Zeit zum Durchatmen bleibt allerdings nicht nach diesem fulminanten Konzertauftakt. Prompt folgt „Cello“. Zwei Tänzerinnen in hautengen Corsagen umgarnen Lindenberg in kurvigen Bewegungen. Dabei drehen sie ihr Cello gekonnt um die eigene Achse. Wem das alles bis hierhin zu weichgespült erscheint, kommt vielleicht danach auf seine Kosten. Schließlich ist der 76-jährige Wahlhamburger bekannt für seine klaren Statements. Und eines davon lautet: „Weg mit dem Zölibat.“ Die Katholische Kirche wird aufs Korn genommen. Extrem. Zahlreiche Tänzerinnen und Tänzer stürmen zu „Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frauen“ die Bühne. Verkleidet als Nonnen, Priester und Messdiener hüpfen sie - mal choreografiert, mal undefiniert - zwischen den Musikern des Panikorchesters umher. Dass sie schließlich ihre Roben inmitten des Songs von sich reißen, die Nonnen und Priester in sexy Kleidung weitertanzen, kann als Akt der Befreiung von Zwängen in einer Welt voller Diversität und Weltoffenheit verstanden werden. Dazu gehört am Ende der Nummer auch die gespielte Hochzeit zwischen zwei schwulen Priestern und zwei lesbischen Nonnen.
Hoch politisch geht es dann auch weiter. Der Ukrainekrieg wird zum Thema. „Wozu sind Kriege da?“ Die Arena wird in blau-gelbes Licht getaucht. Gepasst hat Lindenbergs Song aus dem Jahr 1981 schon lange nicht mehr so gut in das aktuelle Zeitgeschehen wie heute. Das meint er auch selbst und begrüßt Pascal Kravetz auf der Bühne. Der hat die Ballade damals als Zehnjähriger zusammen mit Lindenberg im Duett gesungen. Heute ist der 51 Jahre alt. Er beginnt: „Keiner will sterben. Das ist doch klar.“ Dazu Piano. Später wird Kravetz von einem Kinderchor abgelöst. Das Publikum ist ergriffen. Ein Höhepunkt des Abends.
Ein weiterer emotionaler Höhepunkt: Die beiden Songs „Wieder genauso“ und „Das Leben“. Dieses Mal: Kein Prunk, keine Party, keine Hektik auf der Bühne. Einfach nur Lindenberg. Gänsehaut pur und vielleicht sogar der Satz des Abends: „Nimm dir das Leben und lass es nicht mehr los.“ Und genau das passiert dann auch. Bei „Jonny Controlletti“, „Alles klar auf der Andrea Doria“ und „Candy Jane“ wird gerockt, getanzt und lauthals gesungen. Opis und Omis neben ihren Enkelkindern auf den Rängen, Udo neben seinen Tänzerinnen und Musikern auf der Bühne. Nach zweieinhalb Stunden ist die Party dann vorbei. Lindenberg steigt auf seine Marssonde und hebt ab. „Macht’s gut! Wir sehen uns bald wieder!“