Voller Demut versetzen Die Fantastischen Vier Köln in Ekstase
Köln (kle) Pünktlich um halb neun im Rheinenergiestadion: Fanfaren ertönen. Dazu ein paar unverständliche Wortfetzen. Zeitgleich wird ein schwarzer Vorhang hochgezogen, der die gesamte Bühne verdeckt. Auf ihm zu erkennen sind die Gesichter der vier, um die es heute Abend geht. Genauer: Die Gesichter von Smudo, Dee Jot Hausmarke, Thomas D und And.Ypsilon. In rot. Ein paar Sekunden später nur fällt der Vorhang. Dahinter stehen die Fantastischen Vier. Leibhaftig. Mit Band. Der Beat von „Mit freundlichen Grüßen“ schlägt direkt voll auf den Brustkorb. Von null auf hundert: „ARD, ZDF, C&A / BRD, DDR und USA.“ Die Menge geht und singt mit. Direkt.
Und die vier spüren das sofort. Sie wirken aufgedreht und losgelöst zugleich. Sie springen und rennen von rechts nach links, bauen eine Nähe auf zu den Menschen, die zum Teil schon Stunden zuvor im Stadion bei beinahe 37 Grad im Schatten die Vorbands in greller Sonne abgefeiert haben. Songs wie „Was geht“ und „Zu geil für diese Welt“ zwingen den Mob regelrecht sich zu bewegen. Eine Verschnaufpause gibt es in den ersten 25 Minuten nicht. Man fragt sich kurz, wie die gebürtigen Stuttgarter, die mittlerweile schon seit über 30 Jahren die deutsche Hip-Hop Szene dominieren und seitdem eine Chartplatzierung nach der anderen „raushauen“, das in dieser tropischen Sommernacht durchhalten wollen. Prompt folgt für alle Zweifler ihre Antwort: „Ich habn dicken Pulli an man!“
Erst jetzt richtet Michi Beck alias Dee Jot Hausmarke ein paar Worte Richtung Publikum. Er dankt allen, die heute Abend gekommen sind. Sein Glück der letzten 31 Jahre kann er nicht fassen: „1991 bis 2022. Krasse Scheiße!“ Überhaupt wirken die Fantas die gesamten zwei Stunden über permanent ergriffen. Authentisch. Demütig irgendwie. Das bringen sie zum Ausdruck. Mit Gestik, Mimik. Mit ihrer unumstößlichen Energie. Und das alles wird befeuert durch die Wucht der tiefdurchdringenden Bässe. „Der Picknicker“ rockt das Stadion an den Rand der Ekstase. Wasser, Bier und Cola spritzen durch die Luft. Wie passend. Aber dann: Ruhe. Die Bühne verdunkelt sich. Die drei Wortakrobaten sitzen lässig auf Barhockern. Sie sind ganz bei sich. Im Hintergrund zu hören: Wellenrauschen. Im Hintergrund auf der großen Leinwand zu sehen: Bilder von Sonne, Strand. Vom Meer. Alle wissen, was jetzt kommt: „Tag am Meer.“ Dieser Song tut jetzt so richtig gut.
Schweißtreibend und mit viel Gespringe geht es weiter. Zu erwähnen seien hier Smudos Experimente mit Helium bei „Pipis und Popos“, das textsichere Publikum bei „Sie ist weg“ („Ja, ja wunderbar, tolle Rede, Mann“) und der Leinwandeinspieler, der Nina Ruge mit ihrem bekannten Zitat „Ich schneide eine Schneise durch die Scheiße“ zeigt und der gleichzeitig auch der Aufhänger für den Song „Michi gegen die Gesellschaft“ ist. Einer der stärksten Momente des Abends allerdings ist „Krieger“. Thomas D rappt hier in metaphorischer Weise über einen Traum, über eine gesellschaftliche Vision, die das lyrische Ich hat und die stark an Abstrakta wie Freiheit und Frieden geknüpft ist. Das geht unter die Haut. Genau wie auch die Botschaft von „Wir ernten was wir säen“. Weil sie aktueller und gesellschaftsrelevanter denn je ist.
Am Ende der Show wird es inhaltlich wieder etwas entspannter. Klassiker der vier Schwaben wie „Die Da!?!“, „Troy“ oder „Populär“ lassen die etwa 20.000 Zuschauer noch einmal gut abgehen und in alten Zeiten schwelgen. Mit einer großen Verbeugung verabschieden sich die Fantastischen Vier von ihren Fans. Ergriffen. Authentisch. Demütig.