Tom Odell im Palladium: „Das ist groß“
Köln (kle) Gold-silberne Rettungsdecken liegen zerknüllt auf dem Gehweg der Schanzenstraße vor dem Eingang des Palladiums. Einige Fans des britischen Singer-Songwriters und Pianisten Tom Odell, der im Rahmen seiner „The Black Friday“-Tour am Sonntagabend auch einen Stopp auf der Schälsick einlegte, haben schon den gesamten Tag über in einer langen Schlange ausgeharrt, um einen der begehrten Stehplätze auf der Empore oder in den ersten zehn Reihen der Konzerthalle ergattern zu können.
Bessie Smith macht mit „Nobody Knows You When Your’re Down and Out“ den Anfang aus den Lautsprechern, bevor schließlich Tom Odell in Szene gesetzt wird. Leibhaftig, versteht sich. Er sitzt hinter einem schwarzen Flügel. Nur seine Silhouette ist dunkel vor dem lilafarbenen Spotlight zu erkennen. Leicht anrüchig und zerbrechlich zugleich beginnt er zu singen: „I was twenty days clean yesterday“. Der Song „The End“ direkt zu Anfang: Das Palladium hält den Atem an. Kollektiv. Gänsehaut.
Während also die meisten wahrscheinlich noch darüber nachdenken, wie schön es wohl wäre, die C-Dur-Taste von Odells Piano zu sein, tritt dessen Band bei „Spinning“ sukzessive ans Licht. Show-Minimalismus, der gut ankommt. Und der Song, der ist vielschichtig: instrumental, im Arrangement und in Sachen Rührseligkeit. Zyniker würden ihn auf die Playlist ihrer eigenen Beerdigung setzen. Jamie Cullum, pardon, Tom Odell schafft es anhand seiner abwechslungsreichen Nummern immer wieder, aus einer angespannt- musikalischen Depression herauszuhüpfen, um wenig später mithilfe von Rock-Jazz-Kompositionen in das pulsierende Leben hineinzuspringen. Und in ihrem kraftvollen Zittern vermag es seine Stimme oftmals, dem Palladium jedwedes Geräusch zu entziehen. Nur das Klirren der Gläser hinter der Theke ist kurzzeitig zu hören. „Das ist groß“, sagt jemand zu seinem Freund. Beinahe fühlt es sich so an, als verschlucke man Odells gesungene Worte, um sie kurz danach verdaut kutan auszudünsten.
Am Ende erhebt sich der Meister von seinem Pianisten-Hocker und singt zusammen mit den etwa 4000 Fans „Hold me, when you hold me in your arms“. Das ist besser als jeder Kölner Tatort. Fazit: Tiefgründige Lieder, eine Band, ein Flügel und Tom Odell: gern mehr davon.
Erschienen in der Kölnischen Rundschau