Silbermond erzählen zum Greifen nah Geschichten des Erwachsenwerdens

Düsseldorf (kle) Es ist kurz nach 21 Uhr, als sich Stefanie Kloß, zusammen mit ihren drei Jungs Johannes, Thomas und Andreas, ihren Weg von der Bühne aus über die eng gewundenen Stufen des Zakk hinauf auf die Galerie bahnt, einzig verfolgt von staunenden Blicken und seicht klingenden Erinnerungen einer „verbeult[en] und ramponiert[en] Kindheit“. Silbermond so weit oben, Silbermond so nah.

Zwar hatte sich Nina Amininia, erfahrene Konzertbesucherin im Kulturzentrum, eine Stunde zuvor im fast leergefegten Biergarten eine besondere Nähe zu einer der erfolgreichsten Deutschrockbands der letzten 15 Jahre gewünscht, doch dass die Wahlberliner einen derartig krassen Perspektivwechsel aufs Parkett legen, dem Publikum „den Atem rauben“ würden, „fast so, als wär` es nicht von dieser Erde“, hätte niemand der rund 800 Kreischenden erahnen können.

Und weil sich der herzzerreißenden Powerpop-Ballade „Das Beste“ und ihrem mysteriösen lyrischen Ich, dessen „Nähe Gift“ sein könne, seit mittlerweile 13 Jahren kein Radiohörer mehr entziehen kann, taucht der Saal für einen Moment willenlos ein in die silbermondsche Welt von „Ruhe und […] Zuflucht“, vergisst Midal L`Kattaow, Barkeeperin im Zakk seit 2011, für einen kurzen Augenblick „den Rest der Welt“ und singt ganz leise, ganz zart - mit halb verschlossenen Augen - „Es ist schön, dass es dich gibt“. Silbermond so tief, Silbermond so nah.

Doch zurück zu den Anfängen: Um Punkt Acht heben die jungen Frauen der ersten Reihen ihre Stimmen und Arme, etwas zu alt um umzukippen. Man wird erwachsen. Die gebürtigen Bautzener jedenfalls, die sich einst als frische Zwanzigjährige in längst vergangenen Hoch-Zeiten des Privatfernsehens für den harten Weg zum Ruhm entschieden, können die Zeit auch nicht anhalten. Stattdessen legen sie ihr liebevoll ein breit-bassiges Geschirr an, gepaart mit zurückhaltend dumpf-vibrierenden Achteln der handgefertigten Becken. „Ich will noch nicht gehen“, Stefanies warmherzig stimmliche Fragilität presst sich kompromisslos in die Gesichter der Bewundernden, ein hauchdünner Schleier kollektiver Erleichterung legt sich über die eingefleischte Fangemeinde.    „Langsam“, eine Kampfansage „gegen die Uhren der Zeit“, ein perfekt gewählter Auftakt. Silbermond ist erwachsen. Silbermond ist da.

Da und erwachsen zu sein bedeutet schließlich auch ranzugehen an das, was man bisher ausgespart hat, ranzugehen an das Eingemachte, es bedeutet auszuziehen, um das Gruseln zu erlernen. Doch das wahre Leben ist kein Märchen, die Leichtigkeit des Protagonisten in der grimmschen Erzählung entpuppt sich in Wirklichkeit allzu oft als „das Schwerste dieser Welt“. Die Band erzählt genau davon, „als wär`s das Leichteste der Welt“, melancholisch treibend, vollkommen bei sich. Silbermond so authentisch, Silbermond so nah.

Und was bleibt am Ende? „Irgendwas“ ist an dieser Stelle wohl zu flapsig und zu wenig konkret daher gesagt, das denken sich auch unsere vier Hauptprotagonisten aus der Oberlausitz, da muss „Me(h)er sein“.  Die Halle schreit „So wie jetzt wird’s nie wieder!“ - berauscht von eben dieser Erkenntnis und dem durchdringenden Tempo des Erwachsenwerdens - Löcher gegen die menschliche Vergänglichkeit in die Backsteinfassaden des Zakk. Und um kurz vor Zehn „hat uns der Boden wieder und die Wirklichkeit zurück“. War schön euch hier zu sehen.    

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