Rogers verwandeln Stahlwerk in eine Sauna
Düsseldorf (kle) Das Warten hat ein Ende, die „Bro Hymn“ der US-Band Pennywise ertönt, die rund 2500 im ausverkauften Stahlwerk grölen sofort lauthals mit, halbvolle Bierbecher fliegen kreuz und quer umher. Und dann stehen sie da, wie Rampensäue, die Düsseldorfer Punkrocker um Chri Hoffmeier, die sich vor 15 Jahren um die Ecke ihren ersten Proberaum mit ein paar Ratten haben teilen müssen, aber mittlerweile schon lange kein Geheimtipp mehr in der Punkrock-Szene sind. „Mittelfinger für immer“, Singleauskoppelung ihres gleichnamigen Albums, geht nach vorn, treibt den Pogo an, der Sound, satt und fett, geht ins Mark, und weil bald Weihnachten ist und Rogers ihr erfolgreiches Jahr zusammen mit den Fans feiern wollen, regnet es goldene Papierschnipsel.
Mit dem perfekt inszenierten Konzertbeginn legen sie eine hohe Messlatte für den Rest der Show, aber das Pulver ist noch lange nicht verschossen. Das Publikum ist angefixt, Schweißgeruch vermischt sich mit verdampftem Nebelfluid aus den Nebelmaschinen, „Zu spät“ kracht in die tobende Mitte, plötzlich wirbelt Ingo Knollmann von den Donots in seinem für ihn charakteristischen Laufstil über die Bühne und unterstützt die Rogers in diesem Song mit seiner langjährigen Gesangserfahrung. „Erst wenn der letzte Fluss versiegt, merken wir, dass es nichts mehr zu retten gibt“, brüllt die Menge mit.
Und mahnende Worte mit erhöhtem Aktualitätsbezug gibt es genug heute Nacht vom neuen Stern des deutschen Punkrockhimmels - „Und dieses Lied ist gegen die AfD!“ - Rogers Texte sind mitsingbar, einprägsam, sie nennen die Dinge beim Namen - „Wer hat euch das Hirn verbrannt?“ - manchmal politisch, oft konkret, immer persönlich. Der Einzelne mit seinen Möglichkeiten steht im Fokus ihrer Geschichten, „wie weit kannst du gehen, wie weit wirst du gehen?“ schreit Hoffmeier ins Mikrofon und betont zwischen den Songs immer wieder seinen Unglauben darüber, heute hier auf der Bühne stehen zu können. Seine Mama habe ihn damals vor über 15 Jahren belächelt, als er „auszog“, um das Fürchten eines Rockstars zu suchen. Das habe ihn nur noch mehr angestachelt es durchzuziehen, sinniert er.
Die Leute nehmen es ihm ab, lassen sich auf eine kurze Reise in die Vergangenheit ein, die Band tritt mit „Früher“ auf das Bremspedal, Laternen in den ersten Reihen erleuchten, produzierte Nostalgie, gedankenverloren singt der Saal „Warum bist du nicht mehr wie früher?“, Paare küssen sich.
Mit „Stiller Wunsch“ lassen Rogers das Früher hinter sich und laden zum großen Showfinale ein. Von hinten sind die Silhouetten der wildzappelnden Irokesenschnitte im weiß-blauen Lichtermeer gut erkennbar, es wird abgetanzt, die Fensterscheiben sind feucht, die Bude brennt. Dann: Ein Knall, wieder Papierschnipsel, diesmal weiße, ein Vorhang fällt, darauf zu sehen: Eine knöcherne Hand, nur der Mittelfinger windet sich in die Höhe. Mittelfinger für immer? Wir werden sehen. Auf jeden Fall für diese Nacht.