Pur spielen sich verkopft in die Herzen der Zuschauer

Gelsenkirchen (kle) Das muss man mal erlebt haben: 68.000 Fans der Band Pur singen „Oh, wie ist das schön, oh, wie ist das schön, sowas hat man lange nicht gesehen, so schön, so schön!“ Das geht durch Mark, Bein und Herz. Und Sänger Hartmut Engler geht das genauso. Sichtlich ungläubig und ganz langsam verlässt er nach über drei Stunden Konzert die riesige Bühne in der Veltins-Arena auf Schalke. 

Aber von vorne: Da gibt es ein paar junge Konzertbesucher, die reichen einer Parkplatz-Einweiserin ein Stück selbstgebackenen Apfelkuchen. Da gibt es fünf junge Frauen, die tragen alle einen blinkenden Kopfkranz und schießen ein Selfie nach dem anderen. Und da stehen Eltern zusammen mit ihren Kindern geduldig in einer langen Schlange vor dem Schalker Fanshop. „Pur and Friends 2022“ steht auf einigen der T-Shirts, die dort hängen. Die Stimmung also vor dem Konzert der Kult-Band aus Baden-Württemberg, die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiert und dazu einige prominente Wegbegleiter für die heutige Show geladen hat, ist auffällig gelöst. Auffällig freundlich. Etwas nervöser werden die Zuschauer nur, als plötzlich Rauchschwaden um die zentral gelegene Bühne im Innenraum der Arena ziehen. Vorboten des Spektakels sind das. 

Und um kurz nach acht dann rollt sich der runde Leinwandvorhang hoch, auf dem zuvor Szenen aus 40 Jahren Bandgeschichte zu sehen gewesen sind. Dazu: Ein seicht klingendes Piano. Melancholische Stimmung auf den Rängen macht sich breit. Sätze wie „Weißt du noch, damals?“ oder „Da hatte er noch lange Haare“ sind zu hören. Mit „er“ ist Sänger Hartmut Engler gemeint. Und genau der betritt nur ein paar Sekunden später in weißem Flanellhemd und unter tosendem Beifall zusammen mit seiner Band den Bühnen-Laufsteg. Sie winken den Menschen zu, genießen diesen Gänsehaut-Moment. Schließlich: Vier Takte Gitarren-Intro, dann ist Englers Stimme zum ersten Mal zu hören: „Du umarmst mich / Und du wärmst mich.“ Der Auftakt mit „Keiner will alleine sein“ ist schnörkellos. Der Sound: Perfekt. Es klingt beinahe wie aus dem Radio. Nur mit etwas mehr Druck. 

Genau diese Professionalität jedoch entpuppt sich in der kommenden halben Stunde als eine Art Stimmungs-Dämpfer: Das Konzert gleicht einer Inszenierung mit einer unumstößlichen Choreographie. Die Musiker, so hochkonzentriert sie auch sind, scheinen förmlich an ihren für sie vorgesehenen Stellen festzukleben. Engler steht in der Mitte der Bühne. Und da bleibt er auch die meiste Zeit über. Zu verkopft wirkt das alles irgendwie. Bei „Kein Krieg“ kramen erst ein paar Zuschauer, kurz darauf Zehntausende ihre weißen Taschentücher heraus und schwenken sie im Rhythmus dieser härteren Nummer vor und zurück. Von oben betrachtet sieht das Ganze wie eine überdimensional große Koralle aus, die sich im Wasser hin- und herbewegt. Beeindruckend. 

Genauso beeindruckend wie auch die Freunde, die Pur zur mittlerweile siebten Auflage dieser „Pur and Friends“-Konzertreihe eingeladen haben. Da ist beispielsweise Peter Maffay. Der gibt „Über sieben Brücken musst du geh’n“ zum Besten. Da ist Eric Bazilian, Sänger von The Hooters. Der singt „Johnny B.“ zusammen mit Engler und den 68.000. Und da sind die baden-württembergischen Pur-Kollegen von Fools Garden. Die spielen ihren Welthit „Lemon Tree“. Das Publikum flippt aus. Das ist der bekannte Eisbrecher und ein Höhepunkt der Show. Definitiv. Und weitere Höhepunkte folgen dann im Minutentakt mit Hits wie „Hör gut zu“, „Abenteuerland“ oder „Lena“. Der Rest ist bekannt. 


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