Platten Mai ‘23
bar italia
Tracey Denim
(Matador Records)
Bereits erschienen
Lo-Fi, Post-Punk. Um es direkt zu sagen: Diese neue Scheibe von bar italia ist nichts, das man zwischen Tür und Angel hören oder gar einfach mal so auf dem Smartphone abspielen sollte, um seinem Freund oder seiner Freundin zu demonstrieren, wie sich gelassene Laszivität eigentlich anzuhören vermag. Auch wenn viele Song-Passagen auf ihrem neuen Album „Tracey Denim“ dafür mehr als geeignet wären.
Nina Cristante, Jezmi Tarik Fehmi und Sam Fenton singen nämlich, als sei ihnen nach Verführung. Und Verführung, ja, das ist wohl der Begriff, der am ehesten dabei hilft, das Werk der Post-Punker zu be-greifen und zu be-schreiben. Zu Beginn der Nummer „my kiss era“ beispielsweise schlauchen (schluchzen & hauchen) die drei Londoner in unnachahmlicher Fragilität „They don’t believe in heaven“ ins Mikro. Spätestens ab dann ist es um die meisten wahrscheinlich schon geschehen. Die Verführung jedenfalls ist da schon längst über alle Berge, küsst noch schnell ein paar vorüberhuschende Musikjunkies mit Songs wie „Horsey Girl Rider“ oder „best in show“ und streichelt am Ende des Tages ihr eigenes Lo-Fi-Köpfchen. Stolz wie Oskar, versteht sich. Das alles jedoch ist rein hypothetisch. Für die ein oder andere Gazette, soviel zumindest ist sicher, sind bar italia “London’s most exciting new band”. Aufregend, verführerisch, sexy. Wie auch immer man die drei Neuen bei Matador Records bezeichnen will: hören sollte man sie. Soviel ist auch sicher.
- Jörg Klemenz
Water From Your Eyes
Everyone’s Crushed
(Matador Records)
Erscheint am 26.5.
Indie-Pop. Als Musikjournalist besitzt man das Privileg, Album-Neuerscheinungen meist einige Wochen vor deren Veröffentlichung hören zu dürfen. Im Normalfall gibt es von der Plattenfirma dazu noch die ein oder andere Information zu der entsprechenden Band. Da steht dann oft sowas wie „beste Band aller Zeiten bla bla bla“ oder „krassestes Album ever blub blub blub“. Bei der Info zum New Yorker Duo Water From Your Eyes jedoch verhält es sich anders, liest man Passagen wie „experimentelle Popmusik, die in einem Moment schön klingt und nur ein paar Takte später so roh wie Sushi“ oder „ihr neues Album ‚Everyone’s Crushed‘ ist eines mit doppelten Böden und vielen Netzen, in denen man sich nur allzu gerne verfängt“ ein ums andere Mal und zögert es bewusst oder unbewusst hinaus, nun endlich deren Platte aufzulegen. Vielleicht, um sich sicher sein zu können, diese breitgefächerte Bildsprache auch wahrhaftig in Songs mit Namen wie „Barley“, „Remember Not My Name“ oder “14“ wiederentdecken zu können.
Und Achtung, Spoiler-Alarm: Fühlt sich das Hören von „Everyone’s Crushed“ tatsächlich so an, wie das verzweifelte Abstrampeln in doppelten Böden und unzähligen Netzen, oder werden harmlos aufpoppende Nummern von Rachel und Nate wirklich irgendwann zu akustischem Hoso-Maki verarbeitet? Ja. Aber wie singt Rachel in „14“ so schön: „I’m ready to throw you up“ (Ich bin bereit, dich auszukotzen). In diesem Sinne: viel Spaß beim Kotzen.
- Jörg Klemenz