Platten April ‘23
Hannah Jadagu
Aperture
(Sub Pop)
Erscheint am 19.5.
Indie, Pop. Sonic Youth, die Smashing Pumpkins oder Mudhoney sind nur drei der namhaften Bands, die es sich im Portfolio des traditionsreichen US-amerikanischen Indie-Pop-Labels aus Seattle bequem gemacht haben. Dass sich nun auch die junge New Yorker Studentin und gebürtige Texanerin in das gemütlich angerichtete Sub Pop-Bettchen hineinlegen darf, verdankt sie nicht nur ihrem Talent, zuckersüß dahintriefende Songs in feinster Dream Pop-Manier zu schreiben, sondern darüber hinaus auch zu wissen, wie man sich selbstbewusst und imagegerecht vermarktet. Und ihre musikalische Botschaft ist klar: Ein paar Wohlfühl-Akkorde, wundervoll natürliche Drums und Texte - „Should I even try my luck, maybe it's not enough“ - die einen auf genau dieser Welle angedeuteter Realität surfen lassen. Und obwohl gerade die Nummer „Warning Sign“ eine der innigsten ihrer Art ist: vom Board ins kalte Wasser fällt man auch bei ihr nicht. Besser ist das, denn wäre es so, würde man sich beim ständigen Zurückspulen sicher irgendwann einen fiesen Schnupfen zuziehen. Möchte man sich doch förmlich in die wattigen Beats des Songs hineinkuscheln und ihn immer wieder aufs Neue hören. Also: Wer einfach nur Bock hat, zusammen mit durchaus schwergewichtigen Fragen des Lebens auf dem heimischen Sofa in Zeitlupe à la Billy Elliot auf und ab zu springen, sollte sich Jadagus erste LP holen. Und keine Antworten erwarten. Aber die wird die 19-Jährige noch nachreichen. Ganz bestimmt.
- Jörg Klemenz
Matthew Herbert
The Horse
(Modern Recordings / BMG)
Erscheint am 26.5.
Elektronik, Ambient. Achtung: Die temporär verwendete Metaphorik aus dem Bereich der Pferdewelt ist zu entschuldigen, jedoch leider nicht in Gänze zu vermeiden. Jetzt wird es schräg. So richtig schräg. Jedenfalls für diejenigen, die mit Musik vertraute Strukturen, einen klaren Rahmen und bestimmte Regeln auf tonaler und rhythmischer Ebene verbinden. Wer es mit diesen Parametern allerdings nicht zu streng nimmt, ist bei Mister Matthew Herbert genau an der richtigen Adresse. Ist er schließlich der Typ Musiker, der mit Normierungen und Tabus keinen Vertrag hat. Natürlich ist auch der Brite an die physikalischen Gegebenheiten unseres Planeten gebunden, jedoch schafft er es mithilfe seiner eigenwilligen Klang-Welten, eben jene Gegebenheiten wie ein Gummiseil in extreme Länge zu ziehen und in extreme Breite zu dehnen. Mit seinem neuen Album „The Horse“ verhält es sich ebenso. Wird man zunächst von düsteren, ja beinahe skurril wirkenden Geräuschkulissen im Raum hin- und hergeschubst und fast dazu animiert, die Platte mit den Worten „Was für ein Scheiß!“ wie ein wildgewordener Choleriker in die Ecke zu zimmern, kommt das ungezähmte Pferd Nummer für Nummer immer mutiger aus seiner Höhle herausgetrabt und nimmt sich den Platz, den es benötigt und der ihm zusteht. Spätestens bei „The Horse Is Put To Work“ beginnt sich der elegante Araber in einen ungezügelten Tinker zu verwandeln. Und der tanzt sich schließlich in Trance. Schräg? Definitiv. Und ziemlich geil.
- Jörg Klemenz
Wednesday
Rat Saw God
(Dead Oceans / Secretly Group)
Erscheint am 7.4.
Alternative Rock, Grunge. Allein die Einordnung in ein bestimmtes Genre gestaltet sich schwierig, wie man sieht. Denn: Ist das, was die drei Jungs um Sängerin Karly Hartzman fabrizieren, nicht nur alternativer Rock á la Soundgarden oder Grunge á la Garbage. Möchte man jedoch wissen, was sich in etwa musikalisch hinter der neuen Platte „Rat Saw God“ der Newcomer aus Ashville, North Carolina verbirgt, wären diesen beiden großen Nummern der 1990er-Jahre ein berechtigter Vergleich. Da aber Vergleiche mit anderen Bands noch lange keinen Geheimtipp ausmachen, vor allem dann nicht, wenn der Tipp das Potenzial besitzt, ebenfalls eine große Nummer zu werden, muss man schon etwas genauer hinhören. Und das kann man direkt bei „Bull Believer“, dem Acht-Minuten-Track der LP. Stehen diese acht Minuten doch stellvertretend für das, was in Wednesday so schlummert. Eine über alles erhabene Hook, losgelöst von gängigen Tonalitäten. Hartzman schafft es, sich mit ihren bittersüßen Melodien in die ungezügelten Schreie der Gitarren hineinzulegen. Mutig, ja verrückt ist und klingt das weite Strecken über allemal. Und nur, wer auch in Zukunft mutig und verrückt genug ist, wird eine große Nummer. Wednesday sind die mit „Rat Saw God“ noch nicht ganz, da Songs wie „Formula One“ oder „Chosen to Deserve“ noch zu sehr nach Asheville in North Carolina und nicht nach der großen weiten und verrückten Welt klingen.
- Jörg Klemenz