Pete Doherty - das scheue Pferd aus der Camargue

Düsseldorf (kle) „Wo haben die den denn rausgeholt?“, brüllt einer seinem Kumpel ins Ohr. „Der war doch die ganze Zeit da!“, schreit der ihm dann zurück ins Ohr. Mit „den“ und „der“ ist Peter Doherty, der ehemalige Frontmann der Indie-Rock-Bands Babyshambles und The Libertines, gemeint. Im Rahmen seiner „The Battered SongBook“-Tour kommt Doherty für vier Konzerte nach Deutschland. Eines davon spielte er gestern Abend im Düsseldorfer Zakk.  Sein Auftritt vor ausverkauftem Hause jedoch war keine Glanzleistung, weil es tatsächlich weite Strecken über den Anschein erweckte, als sei er vielmehr von irgendjemandem oder irgendetwas auf die Bühne herauf-gezerrt worden, als dass er aus freiwilligen Stücken dort oben stehen würde.

Wissen allerdings können die Zuschauer das um kurz vor neun noch nicht, bestenfalls erahnen, als Doherty beinahe schüchtern in seinem Schluffi-Look den schwarzen Vorhang zur Seite schiebt, sich seine Gitarre schnappt und ein paar Töne zum Warmwerden zupft. Dann stellt er sich hinter das Mikrofon und singt mit zartem Stimmchen „Take Me Away“, einen seiner neuen Songs vom Album „The Fantasy Life of Poetry & Crime“. Der Titel der Nummer ist Programm, könnte man zu diesem Zeitpunkt des Konzertes doch fast denken, er wünschte sich woanders hin. Doherty fällt es sichtlich schwer, Blickkontakt, ja, überhaupt Kontakt zum Publikum herzustellen.

So oder so ähnlich geht das Ganze dann auch erst einmal weiter. Viel passiert nicht. Nicht bei Doherty, einer der skandalträchtigsten Ikonen der Popkultur, und nicht bei seinen Fans. Der eine tastet sich von Lied zu Lied, die anderen bestaunen dessen Spaßlosigkeit. Natürlich blitzt und blinkt das stimmliche Register des mittlerweile in der Normandie lebenden Engländers auf, seine vokale Wucht will sich in Klassikern der Babyshambles und Libertines machtvoll ausbreiten, das hört man zum Beispiel beim Song „Albion“ sehr deutlich, aber: Es bleibt beim Wollen. Doherty wirkt matt und lustlos. Das kleine Stühlchen, auf das er sich zwischendurch immer wieder mal setzt, scheint nicht genug zu sein, mag man meinen. Ein gemütliches Sofa muss her für ihn, mag man meinen. So eins mit ausfahrbarer Beinstütze. Aber diesen Gefallen tut ihm niemand. Stattdessen krakeelen einige Zuschauer permanent „Yeah“ oder „Uhh“, während Doherty spielt. Andere schreien zwischendurch Titel bestimmter Songs Richtung Bühne, die sie sich wünschen. Ein weiblicher Fan aus der ersten Reihe schafft es sogar zwischenzeitlich, Mr. „Eisklotz“ in einen Dialog hereinzuziehen. Der sagt dann aber nur „No, no“. Unklar bleibt, worum es in diesem Tête-à-Tête gegangen ist. Ein Schelm, wer Böses denkt.

Apropos: Warum Doherty an diesem Abend wie ein scheues Pferd aus der Camargue wirkt, bleibt ebenfalls unklar. Nur bei „What a Waster“ und natürlich bei „Fuck Forever“ kommt so etwas wie Konzertstimmung auf. Ansatzweise zumindest. Nach noch nicht einmal einer Stunde verlässt Doherty ohne viel Regung die Bühne. „He won’t come back“, sagt ein Crew-Mitglied des Briten zu jemandem an der Theke. Recht wird er behalten. Den Besuchern scheint es egal zu sein. Eine Zugabe jedenfalls wünscht sich niemand.Au revoir, Mr. Doherty.


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