David Garrett hält seine Geige an der kurzen Leine
Düsseldorf (kle) Pailletten-Kleider hier und da, feinster Zwirn bei den Männern, die Zuschauer haben sich ganz schön herausgeputzt an diesem Freitag-Abend in der Tonhalle für das Konzert von Star-Geiger David Garrett, der im Rahmen seiner Iconic-Tour auch in der Landeshauptstadt Halt machte.
Doch bevor der gebürtige Aachener mit seiner neuen Violine, einer Guarneri del Gesù aus dem Jahre 1734, verstohlen vor ausverkauftem Hause ins Rampenlicht tappt, schleichen sich seine beiden Begleitmusiker – Franck van der Heijden (Gitarre) und Rogier van Wegberg (Bass) – auf die Bühne, genießen ihren Blick ins Publikum und stimmen in aller Seelenruhe ihr Instrument. Ein Rockkonzert wird das heute Abend nicht, soviel ist klar, als Garrett kurze Zeit später mit erhobenem Haupte „Sicilienne“ von Maria Theresia von Paradis geigt. Nein, kein Rockkonzert, dafür „eine Symbiose aus klassischer Musik und euren Fragen“, erläutert der 42-Jährige den Anwesenden. Und so beantwortet Garrett zwischen den Liedern immer wieder mal Fragen von Konzertbesuchern, die diese fein säuberlich im Vorfeld des Auftritts auf eine Postkarte geschrieben haben. Da kommt dann sowas wie „Was macht denn für dich ein perfektes Konzert aus?“, „Wie komponierst du eigentlich?“ oder „Wie war es mit Leo Linder deine neue Biografie zu schreiben?“. Eben der sitzt zufälligerweise inmitten des Publikums und ruft so mir nichts dir nichts zu David „Hast du mich gerufen?“. Man lacht sich schlapp, und es ist ja irgendwie auch komisch. Komisch gekünstelt.
Wie so vieles in diesen zweieinhalb Stunden Programm. Aber vor allem ist es der Star des Abends selbst, die Guarneri del Gesù, die sich gekünstelt anhört. Schuld daran ist nicht sie selbst, sondern das ganze Drumherum. Denn Garrett öffnet diesem Instrument, das er sich extra für seine neue Tournee ausgeliehen habe, nicht Tür und Tor, damit sie „laufen“, sie ihre Töne frei entfalten kann. Ihr Klang-Potenzial wirkt durch die vom Band laufenden Begleitstreicher wie weggefegt, wie atomisiert. Natürlich spielt Garrett technisch einwandfrei, schließlich sei er einer der größten Geiger seiner Generation, sagte Yehudi Menuhin einst über den Öcher Jung, trotzdem schafft der Jung es nicht, sein Leih-Instrument von der Leine zu lassen. Da kann er bei „Tempo di minuetto“ von Fritz Kreisler noch so stark mit seinem Bogen Druck auf die zarten Saiten ausüben, auch wenn Garrett vor „Cavatina Nr. 3“ felsenfest behauptet, eine Geige könne man nicht schöner zum Singen bringen.
Dann ist Pause. Eine halbe Stunde lang. Und man fragt sich, welcher Chef-Didaktiker wohl die Idee mit den Fragekarten gehabt hatte oder warum um alles in der Welt Garrett, wenn nicht schon mit Orchester, dann doch zumindest mit einem klassischen Streichquartett dort oben steht. Purismus und Reduktion sind schön. Und gut. Aber nicht immer sinnvoll und zielorientiert. Die Tonhalle jedenfalls verwandelt sich spätestens ab „Asturias“ von Isaac Albéniz vom wohl bis dahin größten Snoezelraum Düsseldorfs in ein Meer tobenden Applauses. Von dieser Rasanz, dieser Dynamik, dieser Energie hätte man gerne mehr erlebt. Als Garrett am Ende die Zugabe mit den Worten „Ich dachte, wir fangen nochmal von vorne an“ einleitet, lacht man sich schlapp. Mal wieder.