Nu-Metal-Hymnen mit Papa Roach
Düsseldorf (kle) Auch wenn der weiße Vorhang, auf dem der schwarze Umriss einer riesigen Kakerlake zu sehen ist, die auf dem Rücken liegt, stark an Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ und deren Protagonisten Gregor Samsa erinnern mag, der „eines Morgens […] erwachte und sich zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt fand“, war das gestern Nacht in der restlos ausverkauften Mitsubishi Electric Halle keine Theateraufführung, sondern das Konzert der US-amerikanischen Rockband Papa Roach. Die nämlich feierte zusammen mit 8000 Fans im Rahmen einer großen Headline-Show das 25-jährige Jubiläum ihres Debütalbums „Infest“, das zur Jahrtausendwende vor allem durch die Hitsingle „Last Resort“ zu einem absoluten Verkaufsschlager wurde, ihr zahlreiche Grammy-Nominierungen einbrachte und Papa Roach so in die Popularitäts-Nähe von Bands wie Limp Bizkit oder Rage Against the Machine katapultierte.
Und gleich zu Beginn der Show knallt und blitzt es bei der erst kürzlich veröffentlichten Single „Even If It Kills Me“ aus allen nur erdenklichen Röhren und Lasern. Das ist das geleckt-bombastische Soundbrett kalifornischer Nu-Metal-Bands, dieser eine unverwechselbar-verzerrte Gitarrenklang, der vielleicht immer ein bisschen zu breiig, aber nie zu schmerzvoll am Trommelfell kratzt, und dem europäische Rockkombos vor rund einem Vierteljahrhundert nur neidisch hinterherhören konnten. Mit der brandneuen Nummer jedenfalls schaffen Papa Roach es erneut in Ohrwurm-Sphären, sie ist definitiv mitsing- und moshpitbar. Frontman Jacoby Shaddix ist regelrecht angefixt von den Bewegungseskapaden des Publikums, rennt er doch bei „…To Be Loved“ durch den Bühnengraben, hält sein Mikro dem ein oder anderen Fan vor die Nase, und dann singen sie zusammen „Just wanna be, wanna be loved“. Crowdsurfer, soweit das Auge reicht.
Generell haben die Songs der Kalifornier, vor allem die Refrains, etwas von Zuckowskis Weihnachtsbäckerei (selbstverständlich in Metal-Manier). Natürlich weiß man, was einen erwartet, da ist diese vertraute Klarheit in Melodie und Arrangement, dennoch: Genug bekommen davon möchte man nicht. Zumindest nicht heute Nacht: Die Halle birst aus allen Fugen. Ja, und so ganz plötzlich wird es ganz ruhig, weil Shaddix von seinen dunklen Momenten erzählt und davon, wie er durch Gott und die Musik wieder seinen Frieden gefunden habe. Dazu sollte man wissen, dass Papa Roach, allen voran Shaddix, sich seit ein paar Jahren schon für mentale Gesundheit und Suizidprävention engagieren. Die Single „Leave A Light On (Talk Away The Dark)“ ist Ausdruck dieses Engagements. Und sie berührt die Achttausend sichtlich. Danach geht die Jahrtausendwende-Nu-Metal-Hymnen-Manie in ihre finale Runde, und zwei Verse einer ganzen Generation dürfen dabei auf keinen Fall fehlen: „Cut my life into pieces / This is my last resort.“