Wincent Weiss tut seinen Fans richtig gut

Köln (kle) Das tat gut. So ein – entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, Herr Wincent Weiss – stinknormales Konzert. Inmitten von Oval Office-Drama und 1 Billionen Euro-Wums. Ob das so ähnlich auch die rund 10.000 Zuschauer des 32-jährigen deutschen „Unter die Haut“-Popsängers aus Bad Oldesloe, der Mitte des letzten Jahrzehnts mit Liedern wie „Musik sein“ oder „Feuerwerk“ durch die Decke ging und Preise wie den Echo oder einen MTV Music Award einheimste, auch gefühlt haben? Schon möglich. Abseits des Innenraums der Kölner Lanxess-Arena jedenfalls, irgendwo zwischen Toiletten und Merchandise-Stand, ist es wuselig. Und jung. Denn Herr Weiss (gebürtig Weiß) - ein mittlerweile gesetzter Voice The Kids-Juror -, das muss man wissen, hat nämlich auch viele kleinere Fans im – naja – Wir-spielen-vorm-Konzert-noch-ein-bisschen-Fangen-Alter. Das ist schon süß. Und während also fiktiv Tilda und Tom so auf den Gängen herumirren, schwelgen deren fiktive Eltern bei einer Fassbrause: „Weißt du noch, als Wince vor 5 Jahren hier vor 900 Leuten spielte?“ Genau. Am 20. Juni 2020 gab der Held der deutschen Schlager-Pop-Landschaft Uns Wincent eben an selbigem Ort das erste Hallenkonzert seit Beginn der Corona-Pandemie. Historisch. Und gestern Abend? Da feierte er seinen Tourauftakt in der Domstadt. Tolle runde Geschichte.

Und weil Herr Weiss nicht vergessen hat, woher er kommt – er habe sogar mal eine Zeit lang in Köln-Ehrenfeld gelebt, erzählt er – braucht er keinen bombastischen Showbeginn. Nein, pünktlich zur ZDF Logo-Zeit steht er plötzlich einfach so da, unten vor dem Mischpult. Mit Mikrofon. Inmitten der Teens und Twens. Und singt mit ihnen zusammen „Ich will nie woanders sein / Wir lassen uns treiben, lass uns zu weit gehen / Ich will grade nie woanders sein“. „Ist das Wince?“, fragt eine Freundin ihren Freund. Ja, das ist er. Sachen gibt’s. Genauso wie auch den zweiten Anlauf des Schönlings mit der astreinen Stimme. Und der ist dann doch noch Bombe irgendwie. Denn: Gleitet der Beinahe-Hamburger beim Song „Weit Weg“ auf einer Art freischwebendem Bühnen-Block samt umgeschnallter Gitarre in schwindelerregender Höhe über die ersten Reihen des Publikums hinweg. So manchem Fan stockt zwischenzeitlich der Atem. Das ist mutig. Aber: Die Konstruktion hält. Apropos gleiten: Fast unbemerkt gleitet, ja, plätschert sein Hit „Musik sein“ so dahin. Schlimm allerdings ist das eigentlich gar nicht. Eher sympathisch, weil Weiss sich an der Nummer nicht abarbeiten, sich nicht nochmal selbst für sie auf die Schulter klopfen möchte, sondern dafür lieber neue Kompositionen – darunter auch einige Live-Premieren – seinem treu ergebenen Publikum präsentiert. Das sei ihm wichtig, betont er. Auch, weil er mittlerweile erkannt habe, dass Musik ein nie enden wollender Prozess sei, den er gerne mit allen teilen wolle. Das neue Material, wen wundert‘s, ist „Unter die Haut“-Deutschpop vom Feinsten. Mitsingbar. Highend-Produktionen. Ein bisschen schade ist das. Weil die Songs so spiegelglatt sind wie eine frisch präparierte Schlittschuhbahn im Schlagermodus. Wenn auch mit zum Teil ernsten inhaltlichen Hintergründen. Spricht Weiss doch ohne Scheu über den unreflektierten Umgang mit und in den sozialen Netzwerken oder über sein persönliches Bedürfnis, offen über Therapie sprechen zu wollen. Am Ende verwandelt sich die Arena in ein glamouröses- Glitter-Tanzmärchen und Weiss ruft den Zehntausend „Passt auch auf die Kids auf!“ zu. Wie gesagt: sehr süß. Fazit: Wirklich neue Musik mit neuen Botschaften hat Wincent Weiss nicht im Gepäck. Dafür aber ein ziemlich stinknormales Konzert. Das tat gut.


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