Nouvelle Vague – perfekter Sound, zwei Gänsehaut-Momente und eine Schreckminute

Düsseldorf (kle) Vorab vielleicht das: Über den Sound am heutigen Abend beim Nouvelle Vague-Konzert im Robert-Schumann-Saal muss kein Wort verloren werden. Der war perfekt. Es gab zwei Gänsehaut-Momente, und: eine Schreckminute.

Doch von vorn. Die Bühne schimmert in einem blassen Scheinwerferlicht. Drumherum ist es dunkel. Ganz leise erklingen zwei sich abwechselnde Töne aus einem Theremin. Die gehen fließend über in atmosphärische Akkordeon-Klänge, dann passiert etwas Ungewöhnliches: Ein Spotlight strahlt hinein ins Publikum. Gleichzeitig flüstert eine Stimme „One man on a lonely platform / One case sitting by his side“. Man braucht ein paar Sekunden, um zu verstehen: Phoebe Killdeer und Mélanie Pain von Nouvelle Vague haben wohl schon Minuten zuvor inmitten der Zuschauer gestanden. Erkannt hat sie niemand. Den Fans der französischen Pop-Band fällt es schwer, eine Gasse zu bilden. Sie wollen die Nähe zu Killdeer und Pain nicht einfach so aufgeben, scheint es. Die singen „Aaah, we fade to grey (fade to grey)“ und bahnen sich langsam ihren Weg Richtung Bühne. Der Konzertbeginn: genial und Gänsehaut pur.

Überhaupt ist die Anziehungskraft, die die beiden Sängerinnen auf das Publikum ausüben, enorm. Ein bisschen erinnert das Ganze an die Sagen der Sirenen aus der griechischen Mythologie. Deren Gesang konnten sich die vorbeifahrenden Seemänner nicht entziehen. Und entziehen kann man sich dem Gesang von Pain und Killdeer auch nur schwer. Aber es sind nicht nur ihre Stimmen, es sind auch ihre Körperbewegungen, die die Songs und gleichzeitig auch sie selbst zum Leben erwecken. „Is anyone in love tonight?“, fragt Pain vorsichtig, denn das zu wissen ist wichtig für die nächste Nummer „Ever Fallen in Love (With Someone You Shouldn’t’ve)“. Der Einstieg in einen Song: So einfach kann er sein. 

Sodann jagt ein Hit den nächsten. Bei „Too Drunk to Fuck“ verwandelt sich der Saal kurzzeitig in einen lasterhaften Rockschuppen, „I’m too drunk to fuck“ gröhlen die Zuschauer frenetisch mit, Pain bedankt sich am Ende des Liedes mit den Worten: „Thank you for the fuck. Vocal-fucks I mean.“ Zu leugnen ist es nicht: Vielen Frauen und Männern verdreht Pain heute Abend immer mal wieder den Kopf. Einer Zuschauerin jedoch ist das egal. Als der Song endet, schreit sie schwer zu verstehende Wortfetzen von hinten in die Menge. Aggressiv wirkt das. Eine latente Unruhe breitet sich aus. Die Band fährt fort mit ihrem Programm. Nach „The Guns of Brixton“: erneutes Gebrüll. Diesmal direkt vor der Bühne. Verstehen kann man sie immer noch nicht. Sie scheint wütend zu sein. Pain reagiert freundlich und besonnen, fragt, was sie denn wolle. Zusammen mit Angestellten des Ordnungsamtes verlässt die Person schließlich den Saal. Dass Nouvelle Vague direkt im Anschluss „Road to Nowhere“ spielen, mag makaber anmuten. Pain und Killdeer wirken etwas angespannt. Aber nur kurz. Spätestens die Samba-Einlage bei „Just Can’t Get Enough“ ein paar Minuten später bringt die rund 450 Konzertbesucher wieder auf andere Gedanken. Für einen Moment wähnt man sich in Rio de Janeiro. Das Ende ist schnell erzählt: „Then love, love will tear us apart again“ singt das Publikum. Die Band ist da schon längst nicht mehr auf der Bühne. Gänsehaut pur.


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