Måneskin - Gitarre, Mikro und Bass haben Sex miteinander

Köln (kle) Aufgeregte Teenager in Lack- und Leder-Klamotten auf den Fluren der Lanxess-Arena, so weit das Auge reicht. Ein bisschen Glitzer ist auch dabei. Verwunderlich ist das nicht, denn heute Abend spielt die zurzeit bekannteste italienische Glamrock-Band unter dem Motto „Loud Kids Tour Gets Louder“ ihr zunächst letztes Deutschland-Konzert: Måneskin. Die Frage eines jungen Mannes zu seinem Nachbarn „Was sie wohl heute tragen?“ und der knallrote Bühnen-Vorhang lassen Großes erahnen.

Als der dann schließlich bei unheimlich lautem Gitarren-Geschrabbel und dumpfen Schlagzeug-Pirouetten fällt und die vier Römer „Don’t Wanna Sleep“ spielen, ist ab da an nicht nur das Geheimnis des ersten Songs gelüftet, sondern auch die Kleidungs-Frage beantwortet: Damiano David, Sänger der Band, läuft in engem Shirt und einer Jeans-Schlaghose einmal quer über die Bühne, begrüßt seine rund 15.000 Fans und kreuzt dabei immer mal wieder den Weg von Bassistin Victoria De Angelis, die den modischen Contest in ihrem Glitzer-Body, ihrer Netzstrumpfhose und ihren hohen Lack-Stiefeln definitiv für sich entschieden hat. Der ekstatische Jubel nimmt kein Ende, wer keinen Tinnitus durch den grellen Sound der Band bekommt, bekommt ihn durch sein kreischendes Umfeld. Bestimmt. Als dann auch noch das bekannte Gitarren-Intro von „Zitti E Buoni“ ertönt und David in Gianna Nannini-Manier „Loro non sanno di che parlo“ singt, verwandelt sich die Arena in ein Kolosseum: Publikum und Band peitschen sich gegenseitig an und schreien „Siamo fuori di testa, ma diversi da loro“ (Wir sind verrückt, aber anders als sie).

Dass Måneskin anders sind, als andere Bands, ist der Musik-Industrie spätestens seit 2021, seit ihrem Gewinn des Eurovision-Songcontest, klar, verleiht die Band doch nicht nur durch ihre Musik, sondern darüber hinaus auch durch ihren Stil und durch ihren Habitus einer ganzen Generation Ausdruck. Frei nach dem Motto „Jetzt kommen wir, und wir sind laut und wissen, was wir wollen!“ David jedoch redet nicht viel während des Auftritts, introvertiert kommt er daher, nur einmal sagt er „I hope you enjoy the show. If not fuck yourself!“ Bei der Ballade „Coraline“ wird es kurzfristig etwas ruhiger, diese Midtempo-Nummer lässt die Herzen aller Fans von italienischem Schnulzen-Rock höherschlagen, bevor sich die Band schließlich bei „La Fine“ zusammen auf dem Boden räkelt. Verrucht ist das, sieht es doch ein bisschen so aus, als hätten Gitarre, Mikro und Bass Sex miteinander. Vor allem De Angelis Bassspiel wirkt dabei fragil und selbstbewusst zugleich, wenn sie zu den Beats immer wieder in der Hocke auf- und ab wippt. 

Fazit: Auf die Rockstars aus Rom hat die Musikwelt schon lange gewartet. Das Potenzial, musikalischer Mythos zu werden, haben sie allemal. Das Potenzial, am Ende an diesem Potenzial zu scheitern, haben sie allerdings auch.


Zurück
Zurück

Sons: Was Söhne so alles veranstalten

Weiter
Weiter

Konzert-Tipps März ‘23 (Köln)