Jürgen Zeltinger und Dennis Kleimann hauchen Alter Apotheke Leben ein
Die Alte Apotheke war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Jürgen Zeltinger zusammen mit Dennis Kleimann bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr im Rahmen ihrer Wohnzimmerkonzert-Reihe in der Urdenbacher Kultkneipe gastierten.
Düsseldorf (kle) Von einer Kneipe mit dem Namen „Zur Alten Apotheke“ erwartet man in der Regel keine wunderheilenden Mittel mehr; doch das äußerst sympathische und hoch engagierte Kneipierpaar der Urdenbacher Kultschänke - Nadine Marowski und Andreas Schlesinger - bemüht sich rührend um Vitalisierung in der Bücherstraße 18.
Und da befinden sich Jürgen Zeltinger (voc) zusammen mit Dennis Kleimann (voc, git) an diesem Samstagabend genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Der erste kölschsingende Punkrocker der 80er und über die Türme des ehrwürdigen Doms hinaus bekannte Revoluzzer in Rheinform elektrisiert den aus allen Nähten platzenden Raum vom ersten Ton an, die rund 80 Gäste schreien frenetisch „So wie ein Tiger“, die Medizin, sie wirkt rasch. Sein Namensvetter und bekennender Fan Jürgen (56) ist ganz aus dem Häuschen, so nah, so familiär, so authentisch sei das alles.
Eine ganze Generation gröhle heute Abend mit, betont die frech daherkommende Neurochirurgin Gabriela vehement, vor allem der Song „Asi mit Niwoh“ habe es ihr damals angetan. Und dass der Zeltinger auch noch in ihrer Sprache gesungen habe, das sei schon richtig geil gewesen, erzählt sie, ihr Mund hört dabei nicht mehr auf zu lächeln. Eine halbe Stunde später dann sitzt sie wie gefesselt auf ihrem Barhocker, ganz bei sich und den Worten „Ich bin 'nen Asi mit Niwoh, lese Lyrik auf dem Klo“.
Lyrisch wird es auch zwischen den Liedern immer wieder, „halt doch mal deine Fresse!“ schallt es kneipenwürdig bis zur Toilette, Zeltinger, wie man ihn kennt: Blätter liegen an diesem nassen Novemberabend nur auf der Straße, die waren noch nie etwas für seinen Mund. Ihm seien seine Songtexte wichtig und wer die nicht hören will, könne ja gehen, sinniert er in der Pause gelassen. Die erste Reihe, drei Urdenbacher Freundinnen, kapiert nicht sofort, es braucht einige Anläufe, „Waade op ne Fründ“ hat es schwer sich Gehör zu verschaffen.
Bei „Sozialamt“ klappt das schon etwas besser, das Altbier fließt in Strömen, die Songtexte scheinen aktueller denn je zu sein, zeitlos, wenn man so will. Und der unvermittelbare Arbeiter, abgehängt durch nicht aufzuhaltende digitale Technisierung unserer Gesellschaft, er nimmt unbemerkt Platz an der lückenlos gefüllten Theke der Alten Apotheke. Alles was er braucht sind ein paar Streicheleinheiten.
Und die bekommt auch der außen harte und innen ganz weiche Grundschulhausmeister Adrian (49) zu spüren, wenn zartjohlend über seine Lippen der Karatklassiker „Über sieben Brücken musst du gehen“ säuselt. Überhaupt bleiben in diesen drei Stunden „Wohnzimmerkonzert“ alle politischen, religiösen oder sexuellen Unterschiede draußen vor der Tür, Homosexualität, in den 80er Jahren sei das noch ein emotionales Politikum gewesen, staunt Adrian beinahe fassungslos.
In der Alten Apotheke jedenfalls staunt heute Abend niemand mehr über „Ich bin en Tunt, bin kernjesund, mein Popo, der ist ja noch so wund“. Und das ist auch gut so.