Lena ist zurück
Köln (kle) Johanna, sechzehn, trägt ihre Schwester Jette, acht, auf den Schultern. So kann sie Lena, die am Donnerstagabend im Kölner Palladium knapp eine Woche nach Veröffentlichung ihres neuen Albums „Loyal to myself“ ein Konzert gab, gleich bestimmt besser sehen. Das ist ein schönes Bild. Eins, das zu Lena passt. Irgendwie. Liegen der gebürtigen Hannoveranerin und Mutter einer dreijährigen Tochter vermutlich ihre jungen Fans ganz schön am Herzen. Schließlich ist sie 2009 selbst mit gerade mal 18 direkt ums Eck in Stefan Raabs TV-Studio zur Castingshow „Unser Star für Oslo“ getuckert, um ein paar Wochen danach das Ding zu gewinnen. Den Rest der Oslo-Story kennt jeder.
Als dann ein paar Minuten später zu den Klängen von „Let Me Dream“ der leicht Christo anmutende schwarze Vorhang fällt, ein weißer ‘65er Mustang mit ziemlich eingebeulter Front in der Mitte der Bühne erscheint und sich Lenas unverkennbar weiche Stimme durch die Halle schlängelt, ist der Jubel grenzenlos. Die Hauptprotagonistin selbst ist da noch gar nicht zu sehen. Sie hockt hinterm Steuer, stößt erst bei der nächsten Nummer „I Miss U“ entschlossen die Tür auf, setzt sich in ihrer schwarzen Baggy-Hose, na klar, zunächst einmal auf die eingequetschte Motorhaube und singt „Give me life with kisses to die for“. Dabei knallt Lena ihren rechten Fuß im Rhythmus des Songs immer wieder gegen den lädierten Kühlergrill; so, als wolle sie zeigen: Schaut her, ich bin zurück. Kraftvoller denn je. Der wohl beste Straßenverkehrsunfall seit langem. Inszeniert, versteht sich.
Auf einer großen Leinwand können die Fans, die weiter hinten in der Halle stehen, Lenas Choreografien bestens verfolgen. Ab und an gibt’s kurze Selfcare-Video-Einspieler. In denen verrät die mittlerweile 33-jährige Sängerin ein bisschen etwas über ihre Gedanken und Gefühle. Zum Beispiel sagt sie „Sich selbst zu verlieren, das war schon immer ein Thema bei mir“, um den vornehmlich jungen Zuschauerinnen gleich darauf den Rat zu geben, am besten stets auf seine innere Stimme zu hören und an sich zu glauben. Die feiern ihre Worte und ihren Song „Neon (Lonely People)“ textsicher ab. Lena ist bei all dem sichtlich ergriffen, gleichzeitig sei sie sich sicher gewesen, erzählt sie: Köln werde das beste Konzert auf der Tour. Dann klettert sie ungesichert an der Traverse der Bühnenbeleuchtung hoch - immerhin sind das locker vier Meter -, winkt von dort oben ihren rund 4000 Fans zu und gibt die Bühne frei für ihre Violinistin. Das ist groß. Genau wie auch Lenas ESC-Nummer „Taken by a Stranger“, nach wie vor eine ihrer stärksten Kompositionen in Sachen Dynamik, Komplexität und James-Bond-Soundtrack-Attitüde. Lena geht voll ab. Zusammen mit ihrer Gitarristin.
Was dann noch folgt: Ein Lobgesang auf den Zusammenhalt der Tour-Band, ein herzerwärmender Kinderchor bei „Satellite“ – die Nachwuchssängerinnen wurden spontan von Lena aus dem Publikum herausgefischt -, ein authentisches „Köln, ihr seid so cool!“ und die kleine Jette, die bei „Thank You“ mal wieder auf den Schultern ihrer Schwester sitzt und ihrem Idol ein kleines Pappschildchen mit der Aufschrift „Du bist einfach die Beste“ entgegenhält. Das war eine gute Idee, damals – 2009 - in den Zug nach Köln zu steigen, Lena.