Dass Alex Christensen „L’Amour toujours“ spielte, fühlte sich falsch an

Düsseldorf (kle) Der deutsche DJ Alex Christensen, der 1991 mit dem Projekt U 96 und der Single „Das Boot“ seinen ersten internationalen Erfolg feierte, hatte eine Idee: Seinen Kompositionen zusammen mit dem Berlin Orchestra in Arrangement und Musikalität neues Leben einzuhauchen. Gesagt. Getan. Daraus resultierten in den letzten Jahren die beiden Alben „Classical 90s Dance“ und „Classical 80s Dance“. Mit denen und dem Orchester im Gepäck ist der gebürtige Hamburger seit zwei Jahren immer wieder mal auf Tour. Gestern Abend nun war Halt in der Mitsubishi Electric Halle. Und um es direkt zu sagen: In der war ziemlich viel Platz. Oder um es mit den Worten einer Besucherin auszudrücken, die mit ihren beiden Freundinnen ganz oben auf dem Unterrang saß: „Ach, so schön weit oben. Und so wenig los. Herrlich!“

Dann geht’s auch schon los. Erst stimmen sich Bläser und Streicher ein, es folgt eine rasante Ouvertüre, bevor Herr Christensen, in Techno- Fachkreisen auch bekannt als Jasper Forks oder Alex C., mit einem kecken „Hallo Düsseldorf!“ auf die Bühne schlendert, sich hinter seine Turntables stellt – ein großes A und C mit Leuchtfunktion stützen die Tischplatte – und mit den fetten Beats von „Right Beside You“ die etwa 1000 Zuschauer beschallt. Aber schon bei „Free from Desire“ fragt man sich: Was soll man von all dem halten? Irgendwie hat das was vom Oberbayern in schick. Das Orchester federt die dumpfen Bässe der Eurodance-Nummern ab. Nicht direkt musikalisch. Aber indirekt emotional. Einfach, weil es da ist. Gut ist das.

Nach dem U 96-Song „Heaven“ sagt Christensen: „Was ist das nur für ein fantastischer Song?“ Sagt man das über seine eigenen Kreationen? Vielleicht im Windschatten des Adrenalins. Wer weiß. Danach jedenfalls präsentiert er seine allgemeine Kompositions-Idee ganz praktisch: Er lässt einen Musiker mit „Umhänge-Keyboard“ Stücke wie „Mr. Vain“ oder „Coco Jamboo“ kurz anspielen, bevor das Orchester diese dann im Stile eines Babylon Berlin-Tracks wuchtig und voller Dynamik umfunktionalisiert. Eins muss man dem Konzept lassen: Die Verzahnung von Dancehall- und Orchester-Musik, die wirkt erstaunlich lebendig. Das Publikum zumindest ist hellauf begeistert. Und für alle Liebhaber der Visualisierung: Hinterm Orchester gibt’s allerlei zu bestaunen. Mal regnet es Geldscheine, mal zieren herrschaftliche Schlossanlagen, irgendwelche goldenen Masken oder bunt ineinander und umherwirbelnde Tintenkleckse die Videoleinwand. Tja, und wem das alles noch zu wenig Wums hat, kommt bei folgenden christenschen Sätzen zum Lied „L’Amour toujours“ von Gigi D’Agostino unter Umständen ins Schwitzen: „Für mich ist das einer der besten Songs. Wir spielen ihn seit zehn Jahren. Und auch heute spielen wir ihn. Auch heute!“ Viele der Tausend jubeln. Das fühlt sich falsch an.

Genau wie auch der große Auftritt von Caro. Sie ist Flötistin im Berliner Orchester, und zufällig auserkorene Sängerin für Christensen, weil er sie eines Abends mal auf ihrem Hotelzimmer hat singen hören. Sie tut ihrem Chef den Gefallen und gibt eine Kurzversion von „Barbie Girl“ zum Besten. Das Piano begleitet sie. Ja, Caro hat eine Stimme, die berührt – „I'm a Barbie girl, in the Barbie world / Life in plastic, it's fantastic“ – und nein, Ken ist heute nicht einfach mehr nur ein „muskulöser Typ“, wie es Christensen behauptet. Barbie hat sich emanzipiert. Barbie ist tot. Es lebe Barbie. Die Nummer „Du hast den geilsten Arsch der Welt“, na klar, kommt danach.

Schließlich wird „Das Boot“ in den Himmel gelobt. Vom Meister höchstpersönlich: „Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich diesen Song höre.“ Na dann. Fazit: Belanglose Musik mit belanglosen Botschaften in so gar nicht belanglosen Zeiten werden orchestral aufgehübscht.


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