Kiss im Rock-and-Roll-Inferno

Köln (kle) Das gab es noch nie in der Kölner Lanxess-Arena: So viel Bäm Bum Bäng, so viel Empore und: eine Schlägerei unter Barkeeperinnen kurz vor Konzertbeginn.

Die Hardrock-Formation Kiss nämlich gastierte am Sonntagabend im Rahmen ihrer „End Of The Road“-Tour in Köln und heizte ihren Fans in der ausverkauften Halle mit Songs wie „Say Yeah“, „Lick It Up“ oder auch „I Love It Loud“ nochmal so richtig ein. Denn: Die vier Herren um die Bandbegründer und Rocklegenden Paul Stanley und Gene Simmons verabschieden sich nach fünf Dekaden von der Bühne. Bleibt also nur noch abzuwarten, ob den vier Jungs mit den berühmten Schminkmasken die Ruhe ihres Ruhestands nicht zu viel wird. Irgendwann. Wundern zumindest würde es niemanden.

Dagegen gewundert haben sich vor Beginn der Show in den Katakomben der Arena so einige der kreativ geschminkten Fans als Spaceman oder Catman, als zwei junge Barkeeperinnen plötzlich wie Furien aufeinander losgehen, sich gegenseitig ihre Haare ausreißen und Dinge wie „Ich bin deine Chefin!“ oder „Du hast hier nichts mehr zu suchen!“ einander zubrüllen. Erst das beherzte Eingreifen eines Sicherheitsangestellten beendet die Klopperei zwischen den zwei Damen. „Fehlt nur noch das Popcorn“, sagt einer mit Metallica-Jeansweste seelenruhig zu seinem Kumpel mit Motörhead-T-Shirt.

Als ein paar Minuten später dann in der Halle „Rock and Roll“ von Led Zeppelin aus den Boxen läuft, der schwarze Vorhang fällt und die zwei Glamrocker Stanley und Thayer mit ihren Glitzer-Gitarren und in ihren Plateau-Schuhen zu den Anfangsakkorden von „Detroit Rock City“ wie Störche über die Bühne staksen, ist die Tresen-Schlägerei vergessen. Schon längst. „I feel uptight on a Saturday night / Nine o'clock, the radio's the only light“, singt der mittlerweile 71-jährige Stanley, und die Halle geht voll mit. Simmons, der geschminkte Dämon, schleckt währenddessen mal eben so mit seiner immens langen Zunge an den Saiten seines Basses wie andere an ihrem Eis. Zu all dem ein Feuer-Knall-Infernal aus allen Rohren: Bäm Bum Bäng macht es, ein paar Kids mit Kapselgehörschutz auf den Rängen, aber auch deren Väter zucken ein ums andere Mal zusammen. Wer heute noch nicht gegrillt hat, der wird hier gegrillt. Zumindest in den ersten Reihen. Ist das schon das große Showfinale, fragt man sich. Und weil Stanley das weiß, grinst er und flüstert nach der Nummer „We’ve only just started“ ins Mikro hinein. So gut gelaunt, überhaupt nicht gealtert oder gar abgestumpft wirkt er, wenn er als geschminktes Sternenkind lässig mit aufgeknöpftem Glitter-Hemd und voller Brustbehaarung so da oben steht und „Köln, your are awesome!“ krakeelt.

Und seine Fans loben, das macht er oft zwischen den Songs. Eigentlich ständig. Manchmal nervt seine Stimme dann etwas, die sich wie eine Kratzbürste durch Mark und Gehörmuschel windet. Ein bisschen angeschwipst ist Stanley allemal durch den Jubel, den er säuft, weil der ihm entgegenschwemmt. Und ein paar der Zuschauer reiben sich immer wieder mal die Augen bei dem, was man so geboten bekommt im Verlaufe der Show. Da jagt ein Solo das nächste. Gitarrist Thayer ist zwar kein Eddie Van Halen und Schlagzeuger Singer kein Travis Barker hinter den Trommeln, dafür ist es das Solo-Bombastikum vor dem Herrn. Mit eingebauter Empore, versteht sich. Die katapultiert ihn, wie auch Simmons bei seinem Bass-Solo, in schwindelerregende Höhen. Dass Letztgenannter dazu bei „God of Thunder“ auch noch zusätzlich aus dem Mund blutet und es aussieht, als kämen dabei seine Innereien zum Vorschein: Schockschwerenot. Filmblut sei Dank.

Was am Ende der Show nicht fehlen darf: eine lange Laufkatze, mit der Stanley sich in die Mitte der Halle auf eine zweite kleine Bühne schießt. Auf der zupft er dann zu „Black Diamond“ ein bisschen die Saiten seiner Gitarre. Ganz bei sich ist er da. Und wie ein zarter Schleier der Ahnung grätscht hier das Gefühl dazwischen: Der Junge hatte keine Wahl. Seine Bestimmung war es, Rockstar zu werden. Von Anfang an. „God Gave Rock 'N' Roll To You“. Das passt. Und wie. Macht’s gut, Kiss.


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