Bei Joy Denalane geht die Luzie ab

Düsseldorf (kle) Das ist ganz schön schräg: Die letzten Museums-Besucher, die eine Abendführung für die Ausstellung „Tod und Teufel“ im Kunstpalast gebucht hatten, werden vom Pförtner höflich verabschiedet, da stürmen auch schon die ersten hundert Gäste, die das Konzert der deutschen Soul-Queen Joy Denalane und des Ausnahmegeigers Miki Kekenj samt seiner Kammermusik-Truppe MIKIs Takeover! Ensemble im Robert-Schumann-Saal besuchen wollen, brav in Zweier-Reihen das Foyer. Ausverkauft ist es. Und noch bevor es losgeht, merkt man: Alle haben Lust auf dieses mit Spannung erwartete Gemisch. Die beiden Kellner jedenfalls kommen mit den Bestellungen von Sekt und Selters nur schwer hinterher. Die Gläser stapeln sich auf den Stehtischen.

„Ding Dong“. Wie in der Schule klingt der Gong, der signalisiert: „Gleich geht es los. Begeben sie sich bitte zu ihren Plätzen“. Einige Besucher sind ein wenig erstaunt darüber, dass es Sitz- und keine Stehplätze gibt. „Ich dachte eigentlich, hier geht gleich die Luzie ab“, kommentiert eine Zuschauerin trocken, bevor sie sich in einen Stuhl fallen lässt. Das Quintett um Kekenj – bestehend aus Kontrabass, Cello, Violine, Klarinette und Flügel - betritt die Bühne und zündet mit ein paar Takten avantgardistisch anmutender Tonabfolgen direkt ein Feuerwerk unvergleichlichen Tempos. Die Luzie, bitteschön. Da ist sie. Und dann mischt sich Denalane mit ihrer ach so warmen Stimme und ihrem langen Sommerkleid von der Seite ein in diesen Fünfer-Wirbel und singt „Saw the world inside his eyes / And every turn, I'd follow blind“. Es fällt schwer, dabei etwas anderes als „Ist das geil“ zu denken. Also tun das wohl die meisten Fans der Frau, die einst im Sommer `99 mit der Hiphop-Kombo Freundeskreis und deren Song „Mit dir“ von jetzt auf gleich in der ganzen Republik berühmt wurde, weil niemand so wie sie „Mit dir steht die Zeit still“ ins Mikro hauchen konnte.  

Instrumental und tonal ist es wirklich hochklassig und vor allem ziemlich ungewöhnlich, was die rund 800 Zuschauer erleben können. Soul trifft auf, nein, knallt auf, nein, verknallt sich in schnell und fetzig gespielte Ensemble-Arrangements. Vorstellen muss man sich das ungefähr so: Denalane kommt so richtig auf Touren, und hinter ihr lassen Cello, Bass und Co. ihre Saiten zirpen, ziepen und zupfen, was das Zeug hält. Eine gemeinsame musikalische Sprache, die hätten sie zusammen erst einmal finden müssen, erläutert Denalane, deren fünftes Studioalbum „Let Yourself Be Loved“ 2020 beim US-Label Motown erschienen ist. „Das macht mich natürlich etwas stolz“, verrät sie dem Publikum. Das raunt verständnisvoll, weil sie nämlich die erste deutsche Sängerin ist, die auf diesem Kult-Label etwas veröffentlichte. Die gemeinsame Sprache, die haben Kekenj und die „Queen of German Soul“ gefunden. So viel ist mal klar. Es ist, als lege sich die „Königin“ mit ihrem Gesang in Kekenjs geniale Streicher-Variationen, so, als wären die ein warmes Schaumbad. Bei der Nummer „The Ride“ bitte Denalane die Zuschauer aufzustehen. Das passt ganz gut, weil sich sowieso schon die gesamte Zeit über viele in ihren Stühlen unruhig mit den Beats hin- und herbewegen, wie kleine Kinder, die dazu verdonnert werden, still am Tisch zu sitzen, obwohl sie eigentlich spielen wollen. Die Kollektiv-Krawatte jedenfalls wird für ein paar Minuten mal gelockert. Das tut gut.

Apropos Kollektiv: Nach Mozarts Mondschein-Sonate, gespielt von Maryana Brodskaya, schleicht Denalane mit den Versen „Pack deine Sachen und geh / Es hat noch nie so weh getan“ behutsam aus der Dunkelheit wieder zurück auf die Bühne. Der Robert-Schumann-Saal mutiert für ein paar Minuten zu einem riesigen Schluchzer, verwandelt sich in einen kollektiven Kloß. Aber weil der wieder irgendwie aus dem Saal herausgeschoben werden muss, „kommt jetzt auch schon der letzte Song“, ruft Kekenj. Mit „I Gotta Know“ fackeln Denalane und Mikis Takeover! Ensemble den Keller des Kunstpalastes endgültig ab. Sitzen? Papperlapapp: Standing Ovations.               


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