Johannes Oerding - an der Abrisskante schnulziger Melancholie

Köln (kle) „Es ist nicht leicht, so eine große Halle voll zu kriegen“, sagt ein Vater zu seinem Sohn. Das stimmt. Und um zu verstehen, dass es der Konzert-Branche nach wie vor nicht gut geht, ist der Anblick einer teils abgehangenen und nur zur Hälfte gefüllten Lanxess-Arena ziemlich eindrücklich. Das weiß auch Johannes Oerding, der am gestrigen Abend für seinen Tour-Auftakt in Köln zu Gast gewesen ist. Diese mitleiderregende Geschichte nimmt nun seinen gewohnten Lauf, könnte man meinen: leere Ränge, miserable Stimmung, eine Band, die sich vergebens bemüht und so weiter. Doch weit gefehlt.

Ja, es ist ganz schön leer für ein Arena-Konzert. Und ja, man hört oft die bekannte Stecknadel fallen zwischen den wirklich guten Songs von Support-Man Ian Hooper, aber als dann um kurz nach halb neun der Zehner-Countdown mithilfe eingeblendeter Ziffern auf der Leinwand von allen heruntergezählt wird und Oerdings Band ein Instrumental-Intro vom Zaun bricht, das seinesgleichen sucht, sind alle frei gebliebenen Plätze vergessen. Passend dazu kreiselt Oerding auf der Bühne umher und singt „Man sagt zwar die Hoffnung stirbt zuletzt / Das heißt aber auch sie stirbt nicht jetzt“.

Der Sound ist gut. Nein, er ist der beste seit langem in der Arena, fast bekommt man ein bisschen Angst vor so viel Perfektion. Natürlich hat niemand wirklich Angst, noch nicht einmal, als der am Niederrhein groß gewordene Oerding „Ich bin wieder da, und die nächsten sieben Stunden gehöre ich nur euch“ übermütig ins Mikro krakeelt, oder als er sein erstes Liebeslied so ankündigt: „Jetzt kommt das erste Liebeslied.“ Das Publikum, das hat er von Minute eins an im Griff. Und seine leicht flapsig-zwinkernde Art, die hat in etwa den Unterhaltungswert eines Thomas Gottschalk. Mindestens. Spätestens bei „Was wäre wenn“ ist auch der letzte unter den Skeptikern eingeknickt, die Halle steht Kopf. Der Discofox fletscht seine Zähne unter den Klappstühlen.

Und Showmaster Oerding fühlt sich wohl bei seinem ersten Konzert hier in Köln, daraus macht er keinen Hehl. Lässt er sich sogar spontan auf ein Tête-à-Tête mit Janine ein, die ihm aus dem Publikum zuwinkt, nachdem er zuvor die Frage „Wer hat heute von euch so richtig Liebeskummer?“ in die Runde geworfen hatte. Janine, die hat überhaupt kein Liebeskummer. Natürlich nicht. Ihrem Star nah sein, das wolle sie, und einen Freund, den suche sie, gibt sie offen zu. Die Zuschauer krümmen sich vor Lachen. Oerding moderiert die Situation sehr charmant. Seine Fans verzeihen ihm jeglichen Anflug von Sarkasmus. Selten ist man so gut unterhalten worden.

Höhepunkt der Show ist aber nicht Janine, und auch nicht der 7-jährige Jannis, den Oerding aus dem Publikum zu sich ans Piano holt und mit ihm zusammen „An guten Tagen“ anstimmt, obwohl das wirklich herzzerreißend ist. Höhepunkt ist die Nummer „Eins-zu-eins-Gespräch“, weil sie so ganz und gar ohne jegliches Trara auszukommen weiß. Die Ode an Oerdings Vater kriecht einem unter die Haut bis zum Herzen. „`Junge, such', find' und tu' das, was dich ein Leben lang glücklich macht´“. Am Ende des Liedes vergessen die Zuschauer für einen kurzen Moment zu applaudieren. Weil sie so ergriffen sind.

Im letzten Drittel des Konzerts erinnern die Bilder, die man sieht, doch stark an die aus dem ZDF-Fernsehgarten, genießt Oerding das Bad in der Menge zu „Macarena“ oder „Tanze Samba mit mir“ doch genauso, wie dies auch die Stars auf dem Mainzer Lerchenberg im Sommer stets zu tun pflegen. Zu einer Schlagerparty allerdings wird die Nacht nicht. Zwar waten Oerdings Texte oft hart an der Abrisskante schnulzig-kryptischer Melancholie, schaffen sie es jedoch meistens noch auf die sicheren Böden ernsthafter Leichtigkeit. Bei „Heimat“ allerdings reißt der Schlager-Schlund sein Maul weit auf. „Oh Heimat, schön wie du mich anlachst / Du bist immer da“. Aber alles in allem: eine verdammt gute Show.  


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