Durand Jones & The Indications – Soul in der Schwüle der Nacht im Club Bahnhof Ehrenfeld

Köln (kle) Montagabend. Verdammt schwül ist es in Köln. Die Container-Züge rollen schwerfällig über die Gleise, vorbei an der belebten Venloer Straße. Dass Durand Jones & The Indications heute im Club Bahnhof Ehrenfeld gastieren, scheint im Großstadtwust allenfalls eine Randnotiz zu sein. Nur ein paar Wenige stehen etwas verloren vor dem Eingangsbereich und wedeln sich mit ihren Eintrittskarten Luft zu. Drinnen im Club ist alles bereit: Das Schlagzeug und die Vintage-Synthesizer auf der Bühne machen sich gut im gedimmten Licht der Scheinwerfer. Zu all dem: Leise Soulmusik aus den Lautsprechern. Noch ganz schön schüchtern.

Eine Stunde später tummeln sich etwa 300 Besucher eng an eng in den Katakomben des Bahnhofs. An den Seiten kann man noch die alten, gewölbten Backsteinbögen erkennen, die die Gleiskonstruktionen darüber stützen. Musiker schätzen diese Art der Konzert-Location. Der Raumklang sei konsequent natürlich. Er sei einfach schon da und müsse nicht mehr künstlich erzeugt werden, erzählt mir der Toningenieur, kurz bevor die Band aus Indiana, die spätestens seit ihrem Album „American Love Call“ aus dem Jahre 2019 nicht nur eingefleischten Soulfans ein Begriff ist, den Raum betritt. Fast unbemerkt mogeln sich die Sechs US-Amerikaner durch die hinteren Reihen bis nach vorne auf die Bühne. Dazu läuft „Sheer Magic“ von Ice Cold Love. Die Leute jubeln, erkennen sie Durand Jones und Aaron Frazer doch nun endlich.

Und der winkt kurz ins Publikum. Dann setzt er sich hinter die Drums und spielt den Beat von „Circles“. So, als sei ihm die Idee dafür erst vor ein paar Sekunden in den Sinn gekommen. Unwiderstehlich ist das. Die Leute müssen sich bewegen. Sofort. „Got me goin‘ in circles“ singt Durand Jones. Das ist auch unwiderstehlich. Obwohl er sich etwas versteckt hinter seiner Sonnenbrille und dem schwarzen Western-Hut. Jones Stimme reißt die alten Backsteinpfeiler aus allen Fugen. Zumindest fühlt es sich so an. Bei „Oh you know I feel the ecstasy“ hebt er stimmlich völlig ab. Das Publikum ist aus dem Häuschen. Um sind da gerade mal vier Minuten.

Eine große, aufgeblasene Show ist es nicht, die die amerikanische R&B-Band aufs Parkett legt. Aber das würde auch nicht zu den Typen passen, die ihre Instrumente aus dem Effeff beherrschen. Da ist zum Beispiel Steve Okonski. Ein bisschen wie ein verwirrter Musikprofessor sitzt er hinter den Pianos. Völlig versunken in die Musik spielt er seine Soli. Die fügen sich ohne jegliche tonale Bruchstellen in das Gesamtarrangement der Songs ein. Wer heute noch kein Fan der Indications gewesen ist, der wird sicherlich in diesen Momenten darüber nachdenken einer zu werden.

Musikalische Höhepunkte des Abends sind definitiv die Nummern „How Can I Be Sure“, „Cruisin to the Park“ und: „Morning in America“. Vor allem die hebt sich textlich von den übrigen ab, thematisiert sie doch stärker die zum Teil prekären Lebensumstände eines Landes, von dem man einst sagte, dort könne es ein jeder vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen. „We‘re mourning in America / And I can‘t see the dawn“. Durand Jones intoniert diese Zeilen besonders krass. Und das Publikum versteht die Botschaft. Dass der Ex-Präsident der Vereinigten Staaten mittlerweile wieder drauf und dran ist, offen über eine zweite Amtszeit nachzudenken, geistert für einen kurzen Moment durch die Reihen. Spätestens jedoch die Zugabe „Witchoo“ fegt jeglichen politischen Hintergedanken auf Seite: „I know a place spinnin‘records ˋtil late“. Dann gehen die Lichter an. Die Zuschauer werden aus dem Club in die Schwüle der Nacht herausgespült. Zuhause lege ich noch eine Platte von Durand Jones & The Indications auf. Die läuft bis tief in Nacht. 


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Peter Maffay nah dran am Publikum