Dream Theater holen die Eisenbürste raus

Düsseldorf (kle) Fans mit diesen typischen Band-T-Shirts sieht man, soweit das Auge reicht. Auf denen stehen Namen wie Judas Priest, Queensrÿche oder, na klar, Dream Theater. Eben die gastieren heute Abend in der Mitsubishi Electric Halle. Ausverkauft ist das Konzert der bekannten New Yorker Heavy-Metal-Band bei weitem nicht. Schätzungsweise rund 800 Zuschauer wandeln mit Currywurst oder alkoholfreiem Bier entspannt über das Parkett oder gucken gebannt auf die Bühnen-Leinwand, bevor es losgeht. Denn: Auf der ist eine Art Landschaft mit Felsklippen und Wasserfall zu sehen. Hoch oben dreht ein Adler seine Kreise. Zu all dem läuft eine Komposition aus Piano-Harfe- und Xylophon-Musik vom Band. Ziemlich dramatisch alles. Ein bisschen erinnert sie an die Abspann-Musik eines Kinofilms, die man aber nie ganz zu Ende hört, weil man vorher geht.

Früher gehen auch heute während des Konzerts ein paar Fans der Band um Sänger James LaBrie und Gitarrist John Petrucci. Die Gründe dafür bleiben unklar. Vielleicht ist es der Sound insgesamt, der sich über weite Strecken der Show wie eine Eisenbürste in den Gehörgang putzt, vielleicht ist es die Tatsache, dass man La Brie nur dann so richtig versteht, wenn er zwischen den Songs etwas sagt, wie zum Beispiel „You let me move more than I want“. Wenn er denn überhaupt auf der Bühne zu sehen ist. Verschwindet er doch auffällig oft so mir nichts dir nichts hinter ihr. Manchmal für Minuten. Das ist nett von ihm gemeint, da in der Zeit seine Band-Kollegen – allen voran Petrucci – ein schwindelerregenderes Solo nach dem anderen abliefern, sodass man sogar kurzzeitig davon zu träumen beginnt, auf einem Jazz-Konzert zu sein. Bis einen Petruccis Brechstangen-Sound, die knallenden 6/8- oder 2/4-Rhythmen und das sich stets um die eigene Achse drehende und kippende Keyboard in die Realität zurückholen.

Und die sieht so aus: Da steht eine Band auf der Bühne, die zu Beginn der 1990er-Jahre vor allem aufgrund ihrer außergewöhnlich experimentellen Arrangements als eine der besten Heavy-Metal-Bands der Welt galt. Songs wie „The Alien“, den sie auch heute direkt zu Anfang spielen, können gut und gerne schon einmal die Zehn-Minuten-Marke knacken. Die mittlerweile in die Jahre gekommenen Metaller um La Brie wirken hochkonzentriert an ihren Instrumenten, beinahe so, als würden sie gänzlich in eine andere Welt abtauchen. Ein instrumentales Intro jagt das nächste, E-Gitarren- und Synthi-Soli verzahnen sich, so, als würden sie wild miteinander knutschen. Bei „Sleeping Giant“ haut einen der Sound aus den Latschen. „Alter!“, schreit ein Fan seinem Nachbarn ins Ohr. Und ein Schelm, wer bei La Bries Gesang voller Pathos nicht an Bruce Dickinson von Iron Maiden denkt. Was bei all dieser Reizüberflutung die zahlreichen altertümlichen Embleme, die immer wieder auf der Leinwand zu sehen sind, zu bedeuten haben, bleibt wohl das Geheimnis der Band oder eingefleischter Fans.

Am Ende wird es zeitweise etwas entspannter, bei der geradlinigeren Nummer „Pull Me Under“ ist es möglich, wieder Anschluss zu finden. Einige singen und headbangen sogar mit, weil es der Song ermöglicht. Fazit: Dream Theater wirken wie Vertreter einer Musikrichtung, die schon seit geraumer Zeit ins künstliche Koma versetzt wurde. Bis zum letzten Schlag jedenfalls kann das nicht jeder aushalten.


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