Dieter Bohlen - viel Platz für Discofox und Fremdscham
Düsseldorf (kle) „Ich habe extra diese hochgelegenen Plätze für viel Geld gekauft, um gut sehen zu können“, beschwert sich eine Zuschauerin bei der Dame vom Dieter Bohlen-Team kurz vor Beginn der Show des deutschen Pop-Titanen, der am Abend des 1. Mai unter dem Motto „Das größte Comeback aller Zeiten“ in der Mitsubishi Electric Halle aufgetreten ist. So wie viele andere der rund 1.700 Fans wird auch sie schließlich umgesetzt. Die Oberränge seien kurzfristig geschlossen worden, sodass diese Plätze nun auf andere Bereiche der Konzerthalle hätten aufgeteilt werden müssen, heißt es von offizieller Seite. Konsequenz: schlechte Laune bei vielen.
Gegen die kann auch Sem Eisinger, der Sieger der letzten DSDS-Staffel, mit seinem Zehn-Minuten-Auftritt nicht wirklich etwas ausrichten. Genervt rufen ein paar Männer im Publikum „Dida, Dida!“. Eisinger kann einem leidtun. Eins bisschen zumindest. Pünktlich um acht fällt dann der bettlaken-ähnliche Bühnen-Vorhang zu Michael Buffers Stimmchen, der da ruft „Welcome, here is the sexiest man alive!“. Dieter Bohlen streckt sein Mikro weit hoch in die Luft, winkt seinen kreischenden Fans zu und singt „Lady, I know it was hard / But it’s much harder to ignore“.
Jetzt wusste man schon im Vorfeld, dass es keine Wiedervereinigung von Modern Talking geben würde. Auch nicht heute Abend in Düsseldorf. Dennoch kann Bohlen den engelsgleichen Gesang von Sänger Thomas Anders nicht einfach ersetzen. Das kann auch kein ambitionierter Backgroundsänger. Und so müssen sich die Konzertzuschauer zufrieden geben mit dem, was sie bekommen: Bohlens Stimme, die durch den technischen Fleischwolf gejagt wird und sich anhört, wie eine ausgetrocknete Orange auf der Zitruspresse. Froh ist man da schon fast über das Ende der ersten Nummer „Atlantis Is Calling (S.O.S. for Love)“ und über das gesprochene Wort des Musikproduzenten: „Hallo, ihr Schnuckel-Hasen!“
Und dann, ja dann erzählt Bohlen. Er erzählt von den beiden Mädels, die damals nach einem Konzert in Moskau plötzlich in seinem Bett gelegen haben, von Thomas, der ihn schon immer an den Apachen-Häuptling Geronimo erinnert habe oder von den Chinesen, die gut beschäftigt gewesen seien mit den Zeichnungen für seinen Zeichentrickfilm „Dieter – Der Film“. Zwischendurch trällert er Lieder wie „My Bed Is Too Big“ „Geronimo’s Cadillac“ oder „Gasoline“. Letztgenanntes ist wirklich schlecht. Das muss man einfach konstatieren. Als dann auch noch musikalisches Zieh-Söhnchen Pietro Lombardi mit den Worten „Ich habe meinen Bro mitgebracht – damals hattest du 65, jetzt hast du 100 Kilo!“ von Bohlen auf der Bühne begrüßt wird, fragt sich Fräulein Fremdscham, wie das noch enden soll heute Nacht. Die beiden wirken wie Batman und Robin aus einem Parallel-Universum. Und sie kämpfen stoisch gegen gute Musik. „Ihr sollt Musik machen und nicht herumpalavern!“, schreit ein aufgebrachter Zuschauer den beiden entgegen. Gesagt, getan. Lombardi verschwindet und Bohlen gibt „China In Her Eyes“ zum Besten. Euro-Disco-Beat vom Feinsten. Unnachahmlich und nervtötend. Einige im Publikum klatschen zaghaft mit, weil es peinlich wäre, nichts zu tun. Aber weil Bohlens Ansagen nicht charmanter werden – „Damit ihr irgendwann nicht alleine seid im Zimmer, habe ich euch einen Song mit dem Titel ‚Your Are Not Alone‘ geschrieben“ – und die alten Modern Talking und Blue System-Nummern wie Gammel-Wurst wirken, die der Metzger trotz besseren Wissens zum Verkauf in seine Auslage legt, leert sich die Halle sukzessive von hinten. Viel Platz also für den Disko-Fox, den einige am Ende noch wild und ausgelassen bei „Cheri Cheri Lady“ und „Brother Louie“ tanzen. „Wollt ihr mal einen richtig großen Hit hören?“, schreit Dieter schließlich kampfeslustig hinein in die Manege. Ehrlich? Nein, Danke.