Die Broilers in den Bonner Rheinauen - Fans ersetzen Sammy

Bonn (kle) Ein Konzert der Broilers, das sei gesagt, ist nichts für jemanden mit zartem Gemüt. Denn die kurze Geschichte beginnt so: Es ist Sommer. Es ist heiß und schwül. Es wird viel getrunken von den rund 10 000 Konzertbesuchern Stunden vor Beginn des Auftritts der Düsseldorfer Kult-Punkband am Samstagabend in den beschaulichen Rheinauen Bonns. Und, na klar, die Menschen müssen. Müssen auf Toilette. Irgendwann. Nur Toiletten, die gibt es nicht genug auf dem Kunst!Rasen-Gelände im Schatten des Post Towers. Zumindest nicht am heutigen Abend. Daher geschieht das, was geschehen muss, oder um es mit den Worten eines Fans zu sagen, die er an die Dame des Sicherheitspersonals richtet: „Sorry. Ich konnte nicht anders.“ Sein kleines Geschäft verrichtet hat er, wie viele andere, direkt neben der Pommesbude.  

Dass die Broilers dann um kurz vor acht nach den Tönen von „Preludio: Vanitas“ mit dem Song „Zurück zum Beton“ die Bühne stürmen, stimmt nur so halb. Der Vorhang, ja, der fällt, aber: Er bleibt hängen. Hängen an den Köpfen einiger der Roadies, die den Vorhang eigentlich entspannt auf Seite ziehen sollten. Das hat etwas Ur-Komisches. Versuchen Frontmann Sammy Amara neben Bassistin Ines Maybaum und Gitarrist Ronald Hübner doch wie Rockstars durch ihre Bewegungen und ihr Spiel in diesen entscheidenden ersten Sekunden des Gigs Kontakt zum Publikum herzustellen. Vor ihnen jedoch tänzeln einige Crewmitglieder mit den Nachwehen des gefallenen Vorhangs um ihre eigene Achse und stolpern sich gegenseitig an. Ein paar der Fans können sich ihr Grinsen nicht verkneifen. „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert“, ruft einer seinem Kumpel zu. Den meisten allerdings ist dieser ungewollte Slapstick völlig egal. Genau so wie auch die Tatsache, dass Amaras Gesang überhaupt nicht zu hören ist. Singen sie doch einfach selbst „Wohohoh wohohoh wohohoh-wohohohoh“. Und der Massen-Pogo, er wirbelt den trockenen Boden der Auen ganz schön auf.

Überhaupt wird viel getanzt und mitgesungen zu Liedern wie „Diktatur der Lerchen“, „Gib das Schiff nicht auf!“ oder „Wie weit wir gehen“. Die Songs der Broilers, sie haben einen hohen Wiedererkennungs-Wert, vor allem aber sind sie eins: identitätsstiftend. Schwebt durch die Texte der Düsseldorfer Punker doch oft die Frage „Wer möchte ich nicht gewesen sein?“ wie ein unsichtbar gestrickter Teppich – mal als Parole, mal total persönlich, aber stets gesellschaftlich relevant – über dem Bonner Rasen der Kunst. „Kein Bock auf Nazis“ steht da dick und fett über einem Merchandise-Stand der Band und „Die AFD ist eine katastrophale Scheiß-Partei!“, schreit Amara seinen Fans zu. Am Ende spielen die Fünf noch „Ist da jemand?“. Ja. Da ist jemand. Definitiv.


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