Blink-182 in Kölner Lanxess-Arena: Vulgäre Witze über weibliche Fans – Bandkollege distanziert sich
Köln (kle) Als sich draußen vor der Lanxess-Arena der spätsommerliche Feinstaub mit der tiefhängenden Sonne vermischt und letzte Fans der US-amerikanischen Punkrock-Band Blink-182, die 1999 mit der Hit-Single „All the Small Things“ und einer Fünffach-Platin-Auszeichnung für ihr Album „Enema of the State“ zu Weltruhm gelangte, ihre Tickets vom Sicherheits-Personal abreißen lassen, fabriziert in der Halle die Support-Band „The Story So Far“ schon ordentlich Sound-Druck. Und ganz schön viel Sound-Matsche.
In der halbstündigen Umbau-Pause wird dann eine Mini-Bühne, die an vier dünnen Stahlseilchen befestigt ist, langsam von der Hallen-Decke heruntergekurbelt. Darauf steht ein Schlagzeug. Travis Barkers Schlagzeug, um genau zu sein. Die Rolling Stone listete Barker 2016 auf Rang 99 der 100 größten Schlagzeuger aller Zeiten, berühmt ist er zum einen für seine inbrünstige Spielweise, zum anderen durch seine Ehe mit Unternehmerin Kourtney Kardashian. Und ein paar Minuten später schließlich sitzt eben dieser Barker hinter seinem Drumset – vor ihm stehen seine beiden Bandkollegen Mark Hoppus und Tom DeLonge – und einer schreit seinem Kumpel ins Ohr: „Wie macht der das denn bloß?“ Denn: In der einen Sekunde dreht und wirft er seine Sticks durch die Lüfte, in der nächsten wirbelt er sie in schier unglaublichem Tempo über die Felle. Jede römische Galeere wäre wohl mit Barkers Trommeln in Rekordzeit einmal um die Welt geschippert. Mindestens. Ein Wunder, dass Barker überhaupt heute Nacht spielen kann, musste er doch noch aufgrund eines familiären Notfalls die Tour unterbrechen und zurück in die USA fliegen. Es hieß, es gebe Komplikationen bei der Geburt des gemeinsamen Babys mit Kardashian. Es hieß, dessen Leben hinge am seidenen Faden. Eine Not-OP vor ein paar Tagen schließlich rettete das Baby. Gott sei Dank. Die Fans unten im Pulk feiern das und rufen „Travis, Travis, Travis!“ Mit „Anthem, Part Two“ ist dann aber der Pogo eröffnet. Plastikbecher fliegen wie Geschosse Richtung Bühne. Hoppus geht kurz in Deckung. Dabei lächelt er. Noch.
Vielleicht macht er das auch, weil seine Hornbrille, die er trägt und mit der er ein bisschen wie Buddy Holly auf Punk aussieht, noch auf seiner Nase sitzt. Reine Spekulation. Schon bei der zweiten Nummer „The Rock Show“ scheint alles wieder vergessen zu sein. Und auf der LED-Videowand hinter der Band blinkt frivol „Warning: I fucked your mom“ auf. Grundsätzlich jedoch wirken die drei Jungs aus San Diego, die einst 1999 für ihr Musik-Video „What’s My Age Again?“ nackt durch die Straßen von Los Angeles liefen, irgendwie ruhiger. Irgendwie geläuterter. Fast meint man, DeLonges Permanent-Mittelfinger kommen etwas entspannter als früher daher. Dann aber haut der kecke Sänger und Gitarrist, der sich öffentlich zum Glauben an extraterrestrisches Leben bekennt, doch noch einen raus, zeigt auf die weiblichen Fans in der ersten Reihe und sagt „We like to fuck all of you“. Hoppus distanziert sich sichtlich von ihm. Räumlich. In den kommenden Minuten allerdings kann auch er DeLonges zahlreiche Penis- und Tittenwitze nicht einfangen. Nur eins ist klar: In der Arena lacht niemand so richtig. Mag der sexualisierte Sprachgebrauch in den 1990er-Jahren für kalifornische Punkbands noch zum guten Ton gehört zu haben, so sind wir heute schon einige Schritte weiter. Viel weiter.
Musikalisch passiert nicht viel. Zu erwähnen sind die immer wiederkehrenden typisch „barkerisch“-rhythmischen Versatzstücke, die die Drei in ihre Songs einbauen. Es ist, als solle der eigentlich geradlinige Punkrock dadurch immer wieder aufgebrochen, ja, zum Straucheln gebracht werden. Ein Straucheln, das die rund 16.000 Zuschauer durch das unglaublich hohe Anschlags-Tempo, die aufblitzenden Melodien und das liebliche Unschulds-Stimmchen von DeLonge gerne in Kauf nehmen.
Ganz unschuldig jedoch sind die Anhänger der Band im Innenraum der Arena nicht, wenn sie im Verlaufe der Show von Hoppus mit den Worten „Stop throwing plastic cups on stage, Fuck!“ angemault werden. Von diesen Wurfgeschossen ist er mittlerweile sichtlich genervt. Erst bei „Adam’s Song“ beruhigt er sich wieder und erzählt von seiner Krebserkrankung, die vor etwa zwei Jahren bei ihm diagnostiziert wurde und die er mithilfe zahlreicher Therapien mittlerweile besiegt habe. „Thanks for the second chance“, flüstert er ins Mikro. Stille. Gänsehaut. Schweigeminute à la Hoppus. Am Ende, na klar, kommt’s mit den Songs „What’s My Age Again?“, „First Date“ und „All the Small Things“ nochmal so richtig dicke, die Arena steht Kopf und singt „I never wanna act my age / What's my age again?“