Billy Talent lassen Fans bis zur Ekstase tanzen 

Düsseldorf (kle) Die grellen Neonstrahler in der Mitsubishi Electric Halle werden wieder angeschaltet, damit die Roadies direkt beginnen können, die Bühne abzubauen.  „Don’t Worry Be Happy“ von Bobby Mc Ferrin läuft dabei aus den Lautsprechern. Das Konzert von Billy Talent ist da gerade Mal ein paar Sekunden vorbei. Die Zuschauer verlassen den Innenraum, einige von ihnen humpelnd. Manchmal gestützt von einem Freund. Heute Morgen jedenfalls wird sich der ein oder andere Fan noch an den Auftritt der vier Kanadier am gestrigen Abend vor rund 6000 Besuchern erinnern: Der Knöchel schmerzt, der Nacken brennt oder ein blauer Fleck drückt. 

Angefangen hat das Konzert so, wie man es von einer Punkrock-Band erwartet: laut, knallig und direkt. Ian D’Sa spielt das bekannte Anfangs-Riff von „Devil in a Midnight Mass“ in diesem unvergleichlich dünn-verzerrten Klang. Im Spotlight steht er, versteht sich. Bass und Schlagzeug steigen dazu ein. Kurz darauf erscheint Frontmann Benjamin Kowalewicz und singt frech „A devil in a midnight mass / He prayed behind stained glass“. Es braucht nicht viel, um den Mega-Moshpit ins Rollen zu bringen. Todesmutig, so scheint es, drehen sich die unzähligen Körper im Kreis, springen sie sich an und schubsen sich herum. Kowalewiczs Halsschlagadern pulsieren, das erkennt man gut auf den beiden Leinwänden neben der Bühne, sein Gesicht ist deutlich errötet. Er gibt alles, steht ständig vorne auf einer der wenigen Monitor-Boxen, seine Seele schreit er sich aus dem Leib. Von Beginn an. Schließlich streift er sich sein schwarzes Hemd ab. Darunter: ein T-Shirt mit der Aufschrift „Bis zum bitteren Ende“. Das ist eine tolle Geste der Verbindung.

Bei „Perfect World“ kommt Kowalewiczs Stimme besonders gut zur Geltung. Angeraut und jugendlich zugleich klingt die. Beinahe so, als hätte der Stimmbruch des gebürtigen Montrealers auf einmal keine Lust mehr gehabt, seinen Job zu erledigen, weil er beschloss Rockstar zu werden. Und wahrlich, Rockstars geworden sind Billy Talent. Spätestens mit „Rusted from the Rain“ sind sie weit über die Grenzen Quebecs berühmt geworden. Genau das feiern die Vier heute Abend mit dieser Nummer. Die einen pogen, die anderen headbangen zu ihr. Alle aber grölen „I'm rusted from the rain / I'm rusted from the rain“. „Billy Talent, Billy Talent!“ ruft die bis auf jeden Platz gefüllte Halle danach der Band zu. Unglaubwürdig hält die dann inne, Gitarrist D’Sa winkt ab, so, als wolle er sagen: „Nun hört schon auf, wir sind doch vier ganz normale Jungs.“ Kowalewicz löst die Sprachlosigkeit auf: „Take care for the people you love!“ Er ist der Typ Kümmerer, er ist einer, der sich sorgt um sein Publikum. Und das muss er auch, wirkt es doch vor der Bühne etwas zu voll, zu sehr gequetscht. Ein paar Fans werden vom Sicherheits-Personal immer wieder herausgezogen. „One step back please!“, spricht Kowalewicz zu seinen Fans, bevor sich bei „Surprise Surprise“ ein riesiger Moshpit einmal komplett diagonal durch den Saal wippt. Eine unbeschreibliche Dynamik ist das. Bei „Fallen Leaves“ schließlich gibt es kein Halten mehr: Die Mitsubishi Electric Halle wird zur Fallen Leaves-Halle. Und wer geglaubt hat, das sei es nun endgültig gewesen heute Abend, der hatte „Viking Death March“ nicht auf seinem Zettel. Billy Talent jedenfalls hatten die Nummer auf ihrem, ihr Beat provoziert die Beine der 6000. Viele von denen können nicht mehr, das erkennt man gut. Mit „Red Flag“ endet schließlich die schweißtreibende Punknacht. Die Halle wird abgerissen. Eine Zugabe: heute mal nicht nötig.


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