Die Antilopen Gang nehmen das Zakk auseinander
Düsseldorf (kle) Eine ungewöhnliche Publikums-Mischung ist das heute Abend im ausverkauften Zakk: Da sind Punks mit ihren Nietengürteln, Alternative in karierten Leinenhemden, Banker in Schlips und Kragen und Hip-Hopper in zu weiten Hosen. Ein kleines Mädchen sitzt auf den Schultern seiner Mutter. Mit Kapsel-Gehörschutz. Eine junge Frau fragt ihre Freundin: „Wann fangen die denn an?“ Sie gähnt. Um viertel nach neun kann sie endlich hoffen, denn „Should I Stay or Should I Go“ von The Clash wird laut aufgedreht. Die rund 800 Zuschauer singen es lauthals mit. Sie haben Lust auf einen heißen Konzert-Ritt, das merkt man. Der Song der Briten endet und Danger Dan betritt in seiner bordeauxroten Bomberjacke die Bühne. Allein. Die Fans jubeln ihm zu, er winkt und rappt „Wenn ich eines Tages sterbe gibt's ein' Nachruf im Rolling Stone / Und ich werde mich im Grab umdrehen“. Kurz danach treten auch die beiden anderen Gang-Mitglieder lässig und mit ihren Versen zu „Uns und denen“ im Gepäck in Erscheinung. Erst Kolja, schließlich Panik Panzer. Die Antilopen Gang is in the house! Die junge Frau freut sich sehr.
Das angestaute Adrenalin des Publikums entlädt sich bei „Patientenkollektiv“ und überträgt sich auf die drei Antilopen. Wie entfesselt hüpfen sie zu den druckvollen Beats auf und ab, die Bretter der Bühne müssen so einiges aushalten. Wie angefixt von der aufgeheizten Stimmung schreit Danger Dan „Springt, springt, springt!“ in sein Mikro. Und der Mob. Der springt. Bei „Outlaws“ wird es noch eine Spur aggressiver, die Worte von Kolja werden noch eine Spur kämpferischer - „Deutschland muss sterben, damit wir leben können!“ -, aber sterben will im Zakk heute niemand. Soviel steht fest. Denn die 800 singen jede Textzeile mit: „Ich seh's nicht ein, mit irgendeinem von euch down zu sein / Antilopen ist die Festung der Außenseiter“. Und getanzt wird. Und wie. Einige Fans haben sichtlich Probleme an die Theke zu gelangen, werden sie doch vom Publikum immer wieder, ähnlich wie von einem Schwarm, in die Tanz-Bewegung mit hineingezogen.
Aus dem Getanze wird ein Gepoge. „Stück Dreck“ ist eine Nummer à la auf die Fresse. Die Düsseldorfer Hip-Hopper zeigen sich musikalisch vielseitig, beinahe chamäleonhaft. Verwandeln sie das Zakk doch plötzlich in eine Punk-Kaschemme extraordinaire. Gregor Samsa war gestern. Antilopen Gang ist heute. Eine Erklärung für die Vielfältigkeit unter den Zuschauern jedenfalls, die hat man jetzt gefunden. „Ich hab's so oft versucht, doch es hatte keinen Zweck, denn / Ich bin ein Stück Dreck, ich bin ein Stück Dreck“ singen sie alle gemeinsam.
Ruhiger wird es danach. Daniel Pongratz alias Danger Dan setzt sich hinter ein kleines E-Piano und spielt „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“. Pongratz Ausstrahlung durchflutet den Konzert-Saal, denn er kann das: einfach nur so dasitzen hinter seinem Klavier und singen. Das ist beeindruckend. Weniger beeindruckend dagegen sind Sätze von ihm wie „Im nächsten Lied rufe ich zu Straftaten auf“ oder „Kinder, sagt nichts zur Polizei und holt euch einen Anwalt!“, bevor er mit Kolja und Panik Panzer „Enkeltrick“ zum besten gibt. Das kleine Mädchen sitzt immer noch auf den Schultern seiner Mutter. Und ob sich wirklich jeder Konzertbesucher des heutigen Abends mit Koljas Versen „Deutsche brauchen Nazis, so können sie moralisch sein“ bei „Nazis rein“ anfreunden kann, sei dahingestellt. Aber: Nicht alle singen bei dieser Nummer mit. Viele wirken nachdenklich. Das fällt auf. Die Energie des Auftakts ist in dieser Phase des Konzerts wie weggeblasen. Zu stark ist das Verlangen der drei, ihre politischen Botschaften an die Frau und an den Mann zu bringen.
Erst bei „Wünsch dir nix“ fängt die Antilopen Gang das Publikum wieder ein, entpuppt sie sich mit diesem Song doch als eine Art Realo-Teufelchen auf den breiten Schultern der Toten Hosen. Und es endet, wie es enden muss: „Fick die Uni“ lädt zum letzten Moshpit dieser Nacht ein. Das Zakk wird auseinandergenommen.