Kunst und Kirche: es wurde viel gesprochen, aber wenig gesagt

Neuss (kle) Die Veranstaltung „Spannungsfeld Kunst und Kirche“ im Rahmen der 60. Neusser Kirchenmusikwoche wird im Vorfeld als Talk angekündigt. Als eine Unterhaltung also. Als eine Unterhaltung zwischen Dr. Dr. Sternberg, dem ehemaligen Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und derzeitigen Präsidenten der Kunststiftung NRW und Dr. Latzel, dem aktuellen Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Das Thema Diversität wird vom kulturpolitischen Reporter des WDR und heutigen Moderator des Talks, Peter Grabowski, erst am Ende der Veranstaltung angeschnitten, aber: Dass Frau Dr. Zangs, die Beigeordnete der Stadt Neuss für Schule, Bildung und Kultur heute Abend auch Teil dieser Talkrunde ist, ist in der noch immer stark männerdominierten Welt von Kirche und Politik äußerst erfrischend. Oder, um es ganz im Motto der Kirchenmusikwoche auszudrücken: Es ist ein Signal der Hoffnung für alle jungen Frauen. Wenn auch nur ein kleines.

Die Rahmenbedingungen für die Gesprächsrunde sind nunmehr gesetzt. Die Mack-Kapelle als Austragungsort für das Thema ist mehr als eine gelungene Symbolik. Steht sie doch symptomatisch für die Divergenz zwischen Sakralem auf der einen und Profanem auf der anderen Seite. Dr. Sternberg, der die meiste Zeit über höflich und sachlich auf die Fragestellungen Grabowskis antwortet, verliert jedoch in manchen Momenten seine Contenance: „Das Erzbistum Köln kümmert sich einen Dreck um die Mack-Kapelle!“ Er könne noch immer nicht richtig glauben, dass und wie die Katholische Kirche das gesamte Areal des Neusser Marianum verhökert habe. Ein leichtes Raunen geht durch die Bankreihen, aber aufmüpfig wird von den etwa 40 Besuchern niemand ernsthaft. 

Überhaupt wirkt die Unterhaltung vor allem in der ersten Stunde etwas bieder, irgendwie abgehoben. Die drei Protagonisten versuchen immer wieder sich in diesem vermeintlichen Spannungsfeld zwischen Kunst und  Kirche zu positionieren. Das gelingt ihnen mal besser, mal schlechter. Werden doch Begriffe wie Kunst, Kultur, Kirche, Religion und Glaube zeitweise wie Kraut und Rüben durcheinandergeworfen und in hochtheologische und hochpolitische Narrative eingebettet. Es erinnert zum Teil an eine universitäre Debatte. Einig ist sich der akademische Treff aber darin, dass sowohl die Kunst als auch der Glaube den Charakter des Unferfügbaren und einen transzendentalen Erfahrungsbereich aufweisen können.

Am Ende wird es Gott sei Dank hitziger, leider damit aber auch polemischer. Die Diskussion driftet inhaltlich ab, Latzel verliert sich zusehends in kirchlichem Pathos, ähnlich dem eines Wahlkampf-Managers - „Wer ist denn der Kulturgeber in vielen Städten und Dörfern? Wäre da nicht die Kirche, würde da ganz schön was wegbrechen!“ – Dr. Zangs kriegt keinen Fuß mehr auf den Boden. Fazit: Über Kunst und Kirche wurde viel gesprochen, aber wenig gesagt. Und: Ein tatsächlich freischaffender Künstler hätte diesem Talk gut getan. Richtig gut getan.


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