Wenn das Publikum dem Offspring-Wahn verfällt

Düsseldorf (kle) Als sich um kurz nach neun die Mitsubishi Electric Halle verdunkelt und Kevin „Noodles“ Wasserman von The Offspring zu den Streichern von „Lullaby“ mit seiner unverkennbaren Hornbrille auf die Bühne kommt, streckt er seine E-Gitarre stolz hoch in die Luft, als wolle er damit zum Ausdruck bringen: Seht her, uns und den Punkrock gibt’s immer noch!

Aber sowas von gibt es den und vor allem dessen Anhänger. Rund 7.500 von denen pilgerten nämlich schon seit dem frühen Montag-Abend nach Oberbilk, um die US-amerikanische Punkrock-Band aus Kalifornien live zu erleben. Auf dem Parkplatz vor der Halle tummelten sich deren Fans, der typische California-Sound der 1990er-Jahre von Bands wie NOFX, No Use for a Name oder Green Day drang aus verschiedenen Lautsprechern. Jedes Grüppchen kochte ihr eigenes Punkrock-Süppchen. Und im Foyer: dichtes Gedränge vor dem Merchandise-Stand. Es galt das nachzuholen, was man 1995 vielleicht verpasst hatte: sich ein T-Shirt von The Offspring mit dem bekannten Röntgen-Bild eines Skeletts zu kaufen, unter dem in roter Schrift „Smash“ steht.

Denn „Smash“ war die Platte, mit der die vier Herren damals, 1994, so richtig durchstarteten. Und weil sie das wissen und nach wie vor davon zehren, geben sie mit „Come Out and Play“ von Beginn an Gas. Parkplatz-Mucke, lecker Bierchen und Vorband hin oder her: Auf diesen Moment haben die Zuschauer gewartet. Stilsicher pogt der Mob - wie ein Schwarm bewegt er sich in jede nur erdenkliche Richtung, ja, Frank Schätzing kann einpacken - textsicher grölt der Rest bei der Nummer „Want You Bad“ „I want you / All tattooed / I want you bad“ mit. Das ist mehr als beeindruckend. Und beeindruckt scheinen auch die beiden Hauptprotagonisten Dexter und Noodles zu sein, schwärmen sie doch ein ums andere Mal von Düsseldorf und sagen sowas wie „I feel the energy“ oder „this is the best beer here“. Das zwischenzeitliche Geschwafel der beiden ist an Nerv-Töterei kaum zu überbieten. Zeit schinden, die 90 Minuten voll kriegen scheint ihr Motto zu sein. Dabei haben sie doch Songs wie „Original Prankster“ im Gepäck, die so ganz typisch sind für The Offspring und mit denen sie in den letzten 25 Jahren so erfolgreich waren: Midtempo-Rotz-Punk mit eingängigen Riffs, ein paar kecke Percussions und Dexters Stimme eines ewig 14-Jährigen, der seiner Mama zum fünften Mal aus seinem Zimmer „Nein, Nein, don't want to be ya“ zuruft.

Spätestens jedoch, als dann das bekannte Bass-Intro erklingt und Dexter dazu „Hey man, you know / I′m really okay“ singt, verfällt man dem altbekannten Offspring-Wahn. Denn „Bad Habit“ ist das Lied, bei dem wohl die meisten Ghettoblaster in den Partykellern der Republik Ende der 1990er-Jahre irgendwann ihren Geist aufgegeben haben, weil man es bis zum Erbrechen rauf- und runterhörte. Die Wenigsten konnten sich da den Kalifornier mit dem blonden Igel-Haarschnitt, der als Jungspund auch schon mal gerne die ein oder andere Gitarre wutentbrannt auf den Bühnen-Böden dieser Welt zertrümmerte, als Balladen-Popper hinter einem weißen Klavier vorstellen. Aber den bringt Dexter bei „Gone Away“. Tatsächlich. Und tatsächlich gut sogar.

Am Ende nimmt der Moshpit nochmal so richtig an Fahrt auf. Alles andere wäre bei „The Kids Aren’t Alright“ auch sehr verwunderlich. Apropos: Selbstverständlich spielen die Rock-Legenden auch noch ihren legendärsten Song: „Self Esteem“. Der katapultierte sie 1994 in den kalifornischen Punkrock-Himmel und das Publikum heute schleudert er raus in die laue Mai-Nacht von Oberbilk.   


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