Sarah Connor swingt, menschelt und berührt

Köln (kle) Um das von vornherein zu sagen: Nein, es besteht kein Zusammenhang zwischen der deutschen Soul- und Pop-Queen aus Delmenhorst – Sarah Connor – und der gleichnamigen weiblichen Hauptfigur im Film „Terminator“. Zumindest nicht formal betrachtet. Beiden gleich scheint einzig und allein ihre Resilienz zu sein. Die eine zeigt diese im Kampf gegen böse KI-Roboter, die aus einer gar nicht allzu fernen Zukunft in unsere Gegenwart kommen, um die Menschheit auszulöschen. Die andere ist seit nunmehr knapp 25 Jahren und trotz einiger Aufreger um ihre Person – man erinnere sich an ihren „Brüh im Lichte dieses Glückes“-faux pas, an ihren sagenhaften Auftritt bei „Wetten, dass…?“ in einem Hauch vollkommener Transparenz oder an ihre vieldiskutierte Textzeile „Vincent kriegt kein’ hoch, wenn er an Mädchen denkt“ - eine große Nummer im ziemlich männerdominierten und teils brutalen Musikbusiness.

Und weil das so ist, hat die Wahl-Berlinerin und Workaholicerin im letzten Jahr ihr mittlerweile zweites englischsprachiges Weihnachtsalbum mit dem Titel „Not So Silent Night“ herausgebracht. Mit dem im Gepäck tourt sie zurzeit zusammen mit ihrer Band einmal quer durch die Republik. Gestern dann war es die mit rund 9000 Gästen gut gefüllte Kölner Lanxess-Arena, die sie mit Liedern wie „Ave Maria“, „Ring Out the Bells“ oder „Don’t You Know That It’s Christmas“ in Weihnachts-Hypnose versetzte.

Doch von Beginn an. Wie ein Mix aus Superwoman und Sankt Martina kommt Sarah Connor in ihrem knallroten Umhangkleid zu den ersten besinnlichen Klängen von „Christmas Train (Destination Hope)“ zum Erstaunen aller am anderen Ende der Arena in die Konzerthalle mit den Worten „Guten Abend Köln“ hereingetänzelt. Beinahe wie im ZDF-Fernsehgarten, in dem sich die Stars auch immer eine Art Schneise durch ihre Fans erkämpfen, wirkt das ganze Schauspiel. Schließlich schafft Connor es heil zu ihrer Band hinauf auf die weihnachtlich geschmückte Bühne. Alles dezent, alles in Ordnung soweit. Nur die vier Backgroundsänger:innen turnen in ihren knallig farbigen Hosenanzügen bei diesem Intro-Spektakel eine Spur zu aufgedreht, ein bisschen wie personifizierte Christbaum-Kugeln, die vom Baum heruntergefallen sind und dazu auch noch gut singen können, um ihren Boss herum. Bei „The Christmas Song“, der ursprünglich 1946 vom Nat King Cole Trio aufgenommen wurde, zieht die gebürtige Niedersächsin die Handbremse leicht an, mit den seichten Jazz-Sounds träumt man sich weg in verschneite Straßen Upper East Sides. Erst eine Nummer später, bei „Sleigh Ride“, bewegen sich viele Zuschauer ordentlich im Takt zu den sogenannten Sleigh Bells (Schlittenglocken). Wer kennt sie nicht, diese Glöckchen, die auf keinem modernen Weihnachts-Konzert fehlen dürfen und sich auch heute Abend mal wieder, ähnlich dauergrinsenden Ohrfesseln, an den Gehörgang saugen?                

Aber die Frau, die einst mit Songs wie „Let’s Get Back to Bed – Boy!“ und „From Sarah with Love“ über Nacht zum Megastar der Republik und darüber hinaus wurde, bleibt dran, lässt nicht locker, setzt sich auf einen bequemen Barhocker und erzählt von ihrem Mutter-Dasein, reißt ein paar Witze über Flachmänner und pflaumt auf ironische Weise ihren Fotografen mit den Worten „Pünktlich sein ist nicht, wann man ankommt, sondern wann man losfährt“ an. „Der Süße“ habe seine Bahn zum Konzert verpasst, erklärt sie weiter und zwinkert dabei ins Publikum. Gut drauf ist die mittlerweile vierfache Mutter, das muss man ihr lassen. Sie mag es mit ihren Fans in den direkten Austausch zu gehen, der Bühnengraben interessiert sie nur peripher. „Unbedingt berühren“, das könnte als Motto auf Sarahs Stirn stehen. Und unbedingt berührt sie auch, als sie von ihrer erst kürzlich verstorbenen Oma spricht. Deren Stimme und Geruch, sie als Ganzes fehle ihr so sehr, gibt sie zu. Das und „Santa, If You’re There“ entzieht der Konzerthalle jedwedes Hüsteln und Schniefen, bei einigen bleibt die Kinnlade für die Zeit des Songs heruntergefallen, eine Tochter nimmt ihre Mutter fest in den Arm, beide weinen. Die Arena weint.          

Und weil danach jedweder Damm gebrochen ist, haben plötzlich alle Lust auf Weihnachten, scheint es. „Leise rieselt der Schnee“, von den Neuntausend gesungen, geht unter die Haut. Ins Mark jedoch geht es, als die kleine Mila spontan zusammen mit ihrer Puppe Elsa im Schlepptau und mit rund dreißig anderen kleinen Konzertbesuchern inmitten der Stuhlreihen „In der Weihnachtsbäckerei“ anstimmt. Goldiger und herzerwärmender geht es nicht mehr. Fazit: Sarah Connor swingt, rockt und menschelt als Super-Christmas-Woman durch die Kölner Nacht. Starke Frau.


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