Cryssis feat. Vom Ritchie und der Badewannen-Punkrock - oder: Ein Glück, dass der Abend irgendwann fluffiger wird

Düsseldorf (kle) So nah und authentisch in seiner Profession erleben kann man Vom Ritchie, den Schlagzeuger der Toten Hosen, nur selten. Denn: Die Halle des Zakk ist am Samstagabend beim Konzert seines zweiten musikalischen Projekts, der Punkrockband  Cryssis, mit etwa 350 Besuchern nicht ganz so voll wie gewöhnlich. Schlechter wird der Auftritt der Formation um den Hosen-Drummer, der schon seit 2009 mit Sänger und Gitarrist Dick Yorck, dem Gitarristen Trip Tom und dem Bassisten Thomas Schneider temporär durch die Republik tourt und sogar schon als Vorband der Berliner Punk-Legenden Die Ärzte auf der Bühne stand, dadurch nicht. Im Gegenteil.

Die Stimmung ist gelöst wie selten. Das karnevalistische Treiben in der Düsseldorfer Kult-Kultur-Einrichtung mag seinen Teil dazu beitragen. Fans der Band laufen mit angesteckten roten Nasen, als goldene Marsmenschen oder auch aufwendig geschminkt durch die Gänge des Zakk. „Helau!“ ist wohl das Wort des Abends - bis um kurz nach 22 Uhr endlich Vom Ritchie auf die Bühne schlendert, hier und da noch einmal an den Beckenständern schraubt, sich schließlich hinter sein Set setzt und zusammen mit Yorck „Good evening, Zakk!“ ins Mikro brüllt. Ohne viel Brimborium legen die vier Herren mit „Another Brave Day“ los. Die instrumentale Abmischung allerdings lässt zu wünschen übrig, das alles ist viel zu laut. Yorcks Gesang ist nur schwer zu verstehen. Die Backgrounds versinken komplett im Treibsand der Basslinien, obwohl Tom, Ritchie und Schneider wirklich alles geben. Merkwürdig: Applaus ist Mangelware. Vielleicht aber auch, weil Cryssis dem Beifall mit ihren schnellen und simplen, aneinandergereihten Rock’n’Roll-Punk-Nummern, die stark an alte Sounds von Decendents oder Green Day erinnern, zunächst einmal überhaupt keinen Raum geben. Erst mit „Time of Our Lives“ lösen sie die Handbremse. Ein Pop-Rock-Song, eingängig, seicht und massentauglich. Der könnte glatt bei WDR 2 laufen oder als Soundtrack irgendeiner neuen Teenie-Netflix-Serie herhalten.

Glich das Konzert vorher einer Badewanne, deren Wasser aufgrund einer Rohrverstopfung nicht ablaufen wollte, so wird das Rohr ab jetzt gut durchgepustet, die Verstopfung und die die Zuschauer lösen sich mehr und mehr aus ihrer Starre. Sogar ein kleiner Pogo in der Mitte entsteht, die neue Single „You And I“ überzeugt in ihrem Arrangement. Überhaupt werden die Songs ab der Mitte der Show fluffiger, die Band wirkt organischer – irgendwie angekommen. Schneider tänzelt wie ein junger Gott des Basses neben Yorck herum. Bei „Could It Be“ heben alle ihre Arme und singen im Chor mit. Ein Gänsehaut-Moment. Definitiv. Und Vom Ritchie: Der hört gar nicht mehr auf zu grinsen.  


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