Musa Dagh versüßen einem den Vatertag
Köln (kle) Dass ab 300 die Idioten kämen, sagte Daniel Pongratz alias Danger Dan vor wenigen Wochen der Kollegin Gantenbrink vom Spiegel. Die drei Jungs von Musa Dagh, die am Vatertag-Abend Songs ihrer beiden Alben „Musa Dagh“ und „No Future“ im Kölner Artheater zum Besten gaben, konnten sich daher auf ein ihnen wohlgesonnenes und entspanntes Publikum freuen. Die rund 200 Fans nämlich feierten die alten Hasen der deutschen Rockgarde – Aydo Abay (Ex-Blackmail), Aren Emirze (Ex-Harmful) und Sascha Madsen (Madsen) – so richtig ab.
Um kurz vor zehn gingen Bandnamen wie Placebo, Saosin oder auch Billy Talent an dem Theken-Rondell des Theaters viral. Gerade mal ein paar Minuten vorher ließ sich der populäre Geheimtipp der deutschen Noise-Rock-Szene schweißgebadet so halb von der Bühne applaudieren und halb von der Bühne fallen. Letzteres, weil etwas mehr als eine Stunde Programm bei diesem kräftezehrenden Bums einfach nicht drin ist, könnte man meinen und durchaus nachvollziehen. Verdrischt Sascha, der vor kurzem noch „mit dem Moped nach Madrid“ fahren wollte, doch ein ums andere Mal während den Nummern sein Set so außerordentlich gut geübt und gut gekonnt, dass man sich wünscht, nur einmal der Teppich seiner Snare sein zu dürfen. Später, beim Bierchen am Rondell, kann man den Sehnen seiner Oberarme noch ein bisschen beim Auszucken zusehen. Apropos: Zusehen kann man während der Show auch Hüne Aren, wie er Terzen, Quarten und Quinten in aufwühlender Perfektion über seine Saiten krachen lässt. Seine Riffs sind keine zarten Pflänzchen, manchmal nah dran am Wahnsinn und nichts für Liebhaber geradlinigen Schrammel-Punks.
Musa Dagh im Artheater
Nein, von dem sind die drei - von denen sich zunächst Abay und Emirze inmitten der Pandemie zusammen mit Drummer Thomas Götz von den Beatsteaks einfach mal so in Berlin zusammengesetzt haben, um ein Lied-Ideechen auszuchecken - meilenweit entfernt. Denn selbst, wenn man Bock hätte auf Pogo, Moshpit und Konsorten: Die teils verqueren Rhythmen, die wohltuend tonalen Schieflagen mit orientalischen Einschlägen oder die krassen Übergänge zwischen den einzelnen Song-Passagen, die man nicht kommen hört, weil sie so ur-plötzlich von der Seite in den Takt grätschen und einen vom Post-Hardcore-Gewichse hin zur Melody-Pop-Romanze und wieder zurück schubsen, versauen einem das gemeinschaftliche Aggro-Gehüpfe. Oder anders ausgedrückt: versüßen einem das gemeinschaftliche Vor-Sich-Hin-Meditieren.
Fazit: Placebo. Okay. Soaosin. Definitv. Billy Talent. Auf jeden Fall. Aber vor allem: Musa Dagh.