Müller-Westernhagen lädt ein zum Boogie-Woogie-Höllenfeuer

Köln (kle) Viel muss man über den deutschen Rock-Musiker und ehemaligen Schauspieler Marius Müller-Westernhagen nicht mehr sagen. Das meiste ist schon erzählt. Dass allerdings einer der erfolgreichsten deutschen Musiker im Düsseldorfer Stadtteil Heerdt aufwuchs und schon in späten Pubertät-Zeiten aufgrund seiner stimmlichen Shouterqualität über die Grenzen der Landeshauptstadt bekannt war und in seinem Song „Mit 18“ verschmitzt „Hey, mit 18 rannt ich in Düsseldorf rum“ sang, wissen wahrscheinlich nur die Wenigsten. Aber sei es drum, denn gestern Abend trat der ewige Kumpelrocker, der in seinen besten Zeiten zu Beginn der 1990er-Jahre Stadion um Stadion füllte und dessen Alben wie „Halleluja“ oder „Jaja“ durch rekordverdächtige Verkaufszahlen mehrfache Platinauszeichnungen erhielten, im Rahmen seiner „75 Live“-Tour in der ausverkauften Kölner Lanxess-Arena vor rund 16000 Zuschauern auf.

Und während noch alle im The Velvet Underground-Modus stecken, weil „I’m Waiting Fort he Man“ aus den Boxen läuft, fährt der schön anzuschauende Rüschen-Vorhang nach oben und Westernhagen steht da. Ein bisschen den Ertappten spielt er in seinem eierschalenfarbenen Anzug. Wenn der von Armani wäre: Niemand würde sich wundern. Der Sound ist wuchtig, mit der bluesigen Rocknummer „Alphatier“ und den Versen „Das Leben ist schwer / Schwer wie ein sinkendes Schiff“ legt er samt Band los. Warum, fragt man sich bloß. Da ist kein Zug, da fehlt das Tempo für einen kraftvollen Show-Auftakt. Unverkennbar: Westernhagens Stimme, die hört sich an, als würde er dicke Murmeln gurgeln, während er singt.

Kein Geplapper, keine geschwungenen Reden. Die Band spielt sauber und konzentriert, doch zuweilen ist es nur die Percussionistin, die sich auf der Bühne zu bewegen scheint. Der Rest, auch unser Hauptprotagonist selbst, erfriert beinahe vor Statik. So wie auch die temporären Leinwand-Animationen zu den einzelnen Liedern, die wirken, als habe man einen Mediendesign-Praktikanten kurz vor Tourauftakt nochmal schnell rangelassen. Erst bei „Taximann“ schnippen und wippen sich die Backgroundsängerinnen in den Groove, „In meiner Bude flipp‘ ich aus“ dagegen erinnert stark an irgendeine Post-Punk-Nummer auf Disko-Fuchsschwanz: „Der Fuchsschwanz weht an meinem Wagen / Jetzt geh' ich tanzen mit meinem Hasen“.

Westernhagen fällt es sichtlich schwer, zwischen den Stücken authentischen und direkten Kontakt zum Publikum herzustellen. Ab und zu beugt er sich nach vorne, sagt so etwas wie „Schön, dass ihr alle da seid“. Doch: Sein Ding ist die Bühne, nicht das Bad in der Menge. Den Song „Luft um zu atmen“ performt das musikalische Wunderkind aus Heerdt zusammen mit seiner derzeitigen Ehefrau Lindiwe Suttle. Ja, der Düsseldorfer Rebell ist etwas ruhiger geworden, am Ende des Duetts wischt sie ihm noch liebevoll mit einem Lappen den Schweiß von der Stirn.

Welche Erkenntnisse dann noch folgen: „Sexy“ schießt wie musikalisches Viagra durch die Decke der Arena, bevor sich die Halle mit „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ in eine Boogie-Woogie-Höllenfeuer verwandelt. „Wieder hier“ ist der Song, den alle Astronauten hören, wenn sie sich im Landeanflug auf die Erde befinden, ganz bestimmt. Der Nummer „Lass uns leben“ ist Mark und Bein egal. Sie geht durch alles und jeden hindurch.Und ganz am Ende der Show – bei „Schweigen ist feige“ und „Freiheit“ – wird klar: Mehr denn je werden dieser Lieder gebraucht. Lauter denn je werden sie heute Abend gesungen. „Freiheit, Freiheit / Ist das Einzige was zählt“. Scheiße, ja, Marius.


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