Lloyd Coles Musik so schön wie ein Baby
Köln (kle) Im Foyer-Bereich des Theaters am Tanzbrunnen riecht es nach Kaffee. Total entspannt wirken die Fans so kurz vor dem Auftritt des britischen Singer-Songwriters Lloyd Cole, der einst in den 1980er-Jahren mit seinen Bandkollegen von The Commotions für das Album „Rattlesnakes“ den Titel „Greatest Album of the 80’s“ einheimste und vorgestern nun – unglaublich, aber wahr - mit seinem mittlerweile zwölften Album „On Pain“ im Gepäck sein einziges Deutschlandkonzert in diesem Jahr spielte.
Lang lang also ist es her; die Stuhlreihen des Theaters, die nur zu etwa einem Drittel belegt sind – maximal - sind ein Indikator dafür. Viele Besucher betreten den Konzertsaal zaghaften Schrittes. Ein bisschen sieht das aus, als hätten sie Angst vor einem Schwarm unbändiger Fledermäuse, die sich irgendwo in den Deckenverstrebungen des Konzert-Saals versteckt halten könnten. Dabei ist es allein ihre Irritation ob der geringen Zuschauerzahl, die sie so unsicher macht. Hier eine kleine Zitat-Auswahl der Hereinkommenden: „Ist echt wenig los“ oder „Oha, Cole hat sich wohl etwas übernommen mit dem Tanzbrunnen“.
Ein musikalisches Intro um Punkt acht, das gibt es nicht. Es gibt nur Cole. Der hängt sich seine Gitarre um und: legt einfach los. „Don’t Look Back“ singt er. Jetzt ist er doch noch voll, der Saal. Cole füllt ihn. Mit seiner ganzen Ausstrahlung, seiner warm-mütigen Stimme, seiner Musik. Das ist wunderschön. Etwa so, wie das Gesichtchen eines kleinen Babys, das man frühmorgens irgendwo auf dem Weg zur Arbeit sieht und gar nicht damit gerechnet hat. Seine beiden Kumpels Blair Cowan und Neil Clark aus den guten alten The Commotions-Zeiten platzieren sich ein paar Minuten später neben Cole, der eine rechts, der andere links. Und dann rocken sie auf ihre zurückgelehnte Folk-Blues-Weise das Ding. Sehr familiär, sehr nah, sehr liebevoll ist das: wie ein Auftritt vor guten Freunden.
Bei all dem läuft man Gefahr, sich zu verlieren. In Coles Texten, versteht sich. Erzählen sie doch Geschichten, die uns alle angehen oder angehen werden. Irgendwann. „I tried to rock / I tried to rock“, singt Cole kleinlaut. Den etwa 250 Zuhörern präsentiert er seine Seele auf dem Silbertablett. Gänsehaut. Den eigenen Alltag jedenfalls, den kann man an diesem Abend für anderthalb Stunden getrost vergessen, weil man stattdessen an Coles teilhaben darf. Ja, er und The Commotions, sie haben zu Tisch gebeten. Und für diejenigen, die dieser Einladung gefolgt sind, war das ein unvergesslicher Abend. Mit Sicherheit. P.s.: Sich ein bisschen Übernehmen kann so schön sein.