Lawrence grooven wie alte Schweden
Köln (kle) „Alter Schwede“ ist ein Ausdruck des Erstaunens. Und er passt erstaunlich gut zum Konzert der US-amerikanischen Soul-Pop-Band Lawrence aus New York City, die im Rahmen ihrer „The Family Business“-Tour am Dienstagabend einen Stopp in Ehrenfeld, genauer gesagt in der restlos ausverkauften und mit über 1000 Zuschauern gefüllten Live Music Hall, einlegten. Der achtköpfigen Truppe inklusive den beiden Stimmgranaten und Band-Begründern Clyde und Gracie Lawrence jedenfalls dürfte dieses rege Interesse an ihrer Musik sehr gefallen haben. Die Luftqualität in der kultigen Location, die gefiel höchstwahrscheinlich nur den Wenigsten. „Alter Schwede“, kommt einem Fan spontan in den Sinn, als sie die ersten Schritte von draußen hinein ins Feuchtbiotop LMH geht. Offensichtlich funktionierte die Belüftungsanlage in der alten Fabrikhalle nicht. Viele Konzertbesucher entscheiden sich daher dafür, die Show in der Nähe des Eingangsbereichs zu verfolgen.
Und die Show, die ist grandios. Direkt mit der Nummer „Family Business“ verwandelt sich der Innenraum in eine Art Funky Cheesy Club, die Fans der mittlerweile zehn Jahre bestehenden Formation hüpfen herum, was das Zeug hält. Der Song versprüht Leichtigkeit, er erinnert stark an die Titelmusik irgendeiner US-amerikanischen Familien-Sitcom à la Full House oder Roseanne. Die beiden Lawrence-Geschwister singen und schwingen auf der Bühne wild hin und her. Hallo Spencer und die Quietschbeus waren gestern. Heute sind Clyde und Gracie Lawrence. Just die bekommt von irgendeinem Fan aus der ersten Reihe einen kleinen Blumenstrauß in die Hand gedrückt. Sie riecht an ihnen, sie ist entzückt von diesem Geschenk. Mehr als entzückt allerdings ist man von Gracies Gesangstalent. Bei „i'm confident that i'm insecure“ zum Beispiel scheinen ihre Obertöne durch die Deckenstreben der Halle zu knallen. Ihre Stimme besitzt die Strahlkraft eines Atomkraftwerks nach einem Supergau. Make Gracie, not war, könnte man denken.
Überhaupt ist Lawrence eine Band der Superlative. Die drei Bläser (Saxophon und Trompete) spielen entfesselt auf, beinahe so, als wüssten sie, dass Phil Collins höchstpersönlich im Publikum stünde, weil er noch drei ihrer Spezies für sein imaginäres neues Funk-Album braucht. Und gäbe es an diesem Abend eine Art musikalische Singularität, sie wäre wohl genau hier und genau jetzt beim Song „Funeral“ zu verorten. Gracie und Clyde stehen zu zweit im Spotlight, ganz ruhig und ohne viel Soul- und Funk-Brimborium singen sie einfach nur „ But I'm just sitting there / Watching it all go down / At my own funeral“ (Aber ich sitze einfach da und schaue zu wie alles untergeht bei meiner eigenen Beerdigung): Die kollektive Stille hält den Atem an. Gespenstisch.
Was noch folgt: Drei Lieder ohne das ganz große Funk-Feuerwerk. Die Band sitzt einfach nur gemütlich auf dem Boden der Bühne und singt zusammen mit ihren textsicheren Fans „Wherever I Go“ und „Something in the Water“. Am Ende spielen sie ihren wohl bekanntesten Hit „Don’t Lose Sight“. Der geht ab, oder um es mit den Worten eines Fans zu sagen: „Alter Schwede.“