Ekstase war gestern. Kraftklub ist heute.
Köln (kle) Ein paar Minuten, bevor die fünf Punkrocker aus Chemnitz die Bühne im ausverkauften Palladium betreten, singen alle „Open up my eager eyes / ˋCause I‘m Mr. Brightside“. Es läuft nämlich „Mr. Brightside“ von The Killers. Die Stimmung könnte kaum besser sein. Dann erlischt das Licht, nur die lasziv freche Stimme von Frontmann Felix Kummer ist zu hören: „Ich komm gerannt so schnell ich kann / Kopf voran“. Man ahnt, was nun folgt: Der weiße Vorhang fährt nach oben, ein grelles Blitzlicht-Gewitter durchzuckt die Halle, und da stehen sie, Kraftklub. „In meinem Kopf“ schlägt ein wie eine Bombe. Die Meute tobt.
Sie wankt wie Wackelpudding zu den treibend schnellen Off-Beats von „Fahr mit mir (4×4)“ von links nach rechts, einer Schwarm-Bewegung gleich. Immer wieder werden Pogo-Kreise von den Fans gebildet. Nur Sekunden später strömen wild-tanzende Fans in sie hinein. Die aufgestaute Energie der jungen Menschen, hier entlädt sie sich. Ekstase war gestern. Kraftklub ist heute. „Achtet aufeinander!“, bittet Kummer seine Gefolgschaft. Und: Grapscher sollten sofort beim Sicherheits-Personal gemeldet werden, ergänzt er besorgt. Das Regelwerk für die kommenden zwei Stunden ist also gesteckt.
Gestapelt dagegen wird von Kummer zunächst tief. Die neuen Nummern, die würden schließlich noch nicht alle kennen, daher „brauchen wir euch bei denen noch etwas mehr als sonst“, ruft er ins Mikro. Diese positive Provokation, sie wirkt : „Tausch dein altes Leben / Gegen Cafés und Designermöbelläden“ schreien die etwa 4000 Zuschauer bei dem Song „Wittenberg ist nicht Paris“ der Band entgegen. Eine Verschnaufpause gibt es nicht, das Tempo und die Hitzigkeit der Show ist enorm. Erst eine Glücksrad-Einlage mit einem Fan auf der Bühne lässt das Palladium für ein paar Minuten etwas durchatmen. Stehen bleibt das Rad bei „Irgendeine Nummer“. Und wieder geht sie ab, die Post.
Als sich die Kummer-Brüder gegen Ende des Abends mitten hinein ins Publikum wagen und dann mit allen zusammen „Denn bist du da / Bin ich nicht mehr dieser Wichser, der ich war“ singen, sträubt sich so manches Unterarm-Härchen. Mit „500 K“ nehmen Kraftklub das Palladium schließlich auseinander. Der Boden bebt. Tanzende Fans auf den Gängen. Richtig glücklich sehen die aus. „Mr. Brightside“ war gestern. „Wenn du mich küsst“ ist heute.
Erschienen in der Kölnischen Rundschau