Konzert-Tipps Februar ‘23 (Köln)
Dayglow
Indie Pop. Auf dem Ortsschild von Aledo (Texas) steht „City of Aledo – Rich Heritage, Dynamic Future“. Wie oft der kleine Sloan Struble alias Dayglow tatsächlich diesen Satz draußen vor den Toren der Kleinstadt gelesen hat, entzieht sich jedweder Erkenntnis. Aber: Seine musikalische Bio liest sich exakt wie die eines Musterschülers dynamischer Zukunft. Und nicht weit entfernt davon: Abstrakta wie Unabhängigkeit oder der berühmte eigene Weg. Und genau den ist er losgegangen. Oder vielmehr losgelaufen. Von Aledo, Texas. 2018. Mit seinem Debütalbum „Fuzzybrain“. Keine Produzenten, keine Engineers. Nichts von all dem. Inspirieren lässt er sich vom optimistischen, groovigen Stil der Doobie Brothers oder von Michael McDonald. Und jetzt ist er in Köln mit seinem neuen Funk- und Dance-Pop-Album „People In Motion“. Let’s dance. (Jörg Klemenz)
Sa 21.02., Gebäude 9, 20 Uhr
Die Sauna
Indie Pop. In der Sauna möchte man eigentlich nicht sechs jungen Männern aus München begegnen, die erst vor kurzem der Pubertät entronnen sind. Auf der Bühne allerdings schon. Musikalische Vergleiche mit den Sportfreunden kann man getrost vergessen, biografische Vergleiche allerdings sind zulässig. Definitiv: Etwas verquaste Jungs vom Land mit einem leicht schrägen Humor feiern gerne und mögen Musik, gründen schließlich eine Band, fahren damit in die große Stadt und haben plötzlich Erfolg. Offen sollte man schon sein für den Kosmos der Sechs: Umherflirrende Synthie-Klänge, tänzelnde Basslinien. Zu all dem heulende Gitarren und ein Sprechgesang, dessen knappen Worte einem um die Ohren gehauen werden. Man könnte auch sagen: Welcome back to the 80's, oder: DAF, Fehlfarben und Co. waren gestern. Heute geht es in Die Sauna. (Jörg Klemenz)
Mo 01.02., Helios 37, 20 Uhr
Keshi
Alternative/Lo-fi. „Gabriel“ heißt das Debütalbum des 28-Jährigen aus Houston, Texas. Wen genau Casey Luong alias Keshi damit im gleichnamigen Song „Gabriel“ am Ende seiner Platte meint: unklar. Irgendwie ist das aber auch fast egal. Denn Tränen fließen so oder so, wenn er mit seiner Falsettstimme „Before I leave / I’ll see Gabriel“ singt. Wunderschön. Und die Geschichte des gelernten Krankenpflegers liest sich in etwa so: „From nurse to millionaire“. Frauenschwarm, Modeikone, Superstar ist er nun. Gedacht hätte sich das der 13-jährige Casey wahrscheinlich nicht, als er damals mit der Gitarre seines Großvaters erste musikalische Gehversuche wagte. So richtig verkriechen würde er sich gerne mal, um Neues zu schaffen, sagt er selbst über sich. Bleibt zu hoffen, dass er früh genug wieder auftaucht im Palladium. (Jörg Klemenz)
Mo 03.02., Palladium, 20 Uhr
Lalalar
Psychedelic Indie. Baglama, Lavta oder Kaval sind eigentlich Instrumente, mit denen man die klassischen Klänge Anatoliens verbindet. Aber: Auf klassisch hatten die drei Punker aus Istanbul – Lalalar – schein- und hörbar keine Lust mehr. Dreht man nämlich deren Debütalbum „Bi Cinnete Bakar“ zuhause mal etwas lauter auf, fegen einen nicht nur die angezerrten Lavtas und Baglamas, sondern darüber hinaus auch die teils bedrohlich wirkenden Synthie-Klangformationen und die damit einhergehenden dumpf-gestreckten Beats aus dem Wohnzimmer. Spätestens beim Song „Kötüye Bişey Olmaz“, wenn Ali Güçlü Şimşek plötzlich in die aufgestaute Spannung des Arrangements „Gülüyoruz hoşbeş / Çürüyoruz evde“ singt, haben die drei türkischen Rebellen, die so ein bisschen an Depeche Mode aus dem wilden Untergrund Istanbuls erinnern, dein Wohnzimmer besetzt. Widerstand ist zwecklos. Und das ist auch gut so, weil es so voller Energie, voller Leben ist, was Lalalar machen. Übrigens: „Çürüyoruz evde“ bedeutet soviel wie „Wir verrotten zuhause“. Verrotten kann man später immer noch, erstmal geht’s zu Lalalar in den Club Bahnhof Ehrenfeld. (Jörg Klemenz)
Mo 30.01., Club Bahnhof Ehrenfeld, 20 Uhr
Ryan McMullan
Pop/Folk. Jetzt ist der Club Bahnhof Ehrenfeld wahrlich kein gemütliches Pub irgendwo zwischen Portrush und Belfast in Nordirland, trotzdem passt er ziemlich gut zu dem aus Portaferry stammenden Ryan McMullan. Denn seine traurigen wie auch auch lebensbejahenden Songs erzählen die Geschichte eines jungen Reisenden. Und: Getourt ist er in den letzten Jahren eine Menge. Mit Foy Vance und Ed Sheeran zum Beispiel. Daher: So ein Bahnhof müsste McMullans Ding sein. Ob seine Stimme wirklich der von Paolo Nutini, der des frühen Tom Waits oder sogar der eines Engels gleicht (das zumindest behauptet Gary Lightbody von Snow Patrol): Egal. Hauptsache es wird ein geiler Abend. Und das wird er, wenn McMullan singt „But I never will forget / The green grass and the rivers / As I keep law and order / On the streets of New York“. (Jörg Klemenz)
Mi 08.02., Club Bahnhof Ehrenfeld, 20 Uhr
The Begotten
Dub. Viel findet man nicht, wenn man versucht, etwas über das belgische Trio The Begotten um den Soundspezialisten Jürgen De Blonde im Internet herauszufinden. Gräbt man aber nur ein bisschen tiefer, so kommt ein Song ans Tageslicht, der mehr über die drei (aus-)sagt, als jedwedes Geplapper. Er heißt „Temidden Laaghangende Wolken“ (Inmitten tiefhängender Wolken) und befindet sich auf der A-Seite ihrer gleichnamigen Debut-LP. Zugegeben: Ein bisschen Vorlaufzeit braucht‘s, um sich von den eigenen konventionellen musikalischen Strukturen lösen und einlassen zu können auf skurrile Klangskulpturen, die gleichsam zerbrechlich und mächtig den Raum fluten. Steht man jedoch einmal ganz oben auf dem Damm der Konvention und blickt hinunter auf das, was sonst noch so da ist, hört man The Begotten. Wahrlich. (Jörg Klemenz)
Sa 11.02., King Georg, 20.30 Uhr
Tove Styrke
Elektropop. Es muss ja nicht immer das Konzert mit diesen berühmten Gänsehaut-Momenten sein, das man besucht. Denen nämlich wird man höchstwahrscheinlich nicht begegnen bei der Show der schwedischen Sängerin, die bereits 2009 durch die Castingshow Idol einem breiteren Publikum bekannt wurde. Dafür bekommt man eine gehörige Portion schnörkellose Popmusik à la Sandra mitten in die Fresse und aufs Tanzbein. Das kann auch einiges wert sein in einer Welt, die für viele viel zu schnell immer komplizierter wird. Die Tochter einer Balletttänzerin und eines Musikers bleibt da im Lied „White Light Moment“ herrlich klar: „All I want now is a white light moment / Come with me tonight“. Ihre Nummern und Styrkes Stimme tragen oft die Überschrift „Schmachten erwünscht“ mit sich herum. Also: Kopf ausschalten und rauf auf den Dancefloor. (Jörg Klemenz)
Sa 11.02., Helios 37, 19.30 Uhr