Janet Jackson in Köln: Dünne Stimme und verzückte Fans

WAZ

Köln (kle) So ein typisches mit den Fingern geformtes Herz möchte man auch „zugeworfen“ bekommen von der Frau, die sich Ende der 1960er-Jahre zusammen mit ihrem großen Bruder Michael ein Zimmer in der US-amerikanischen Kleinstadt Gary, Indiana teilte und über die Steve Morse – unter anderem Gitarrist von Deep Purple – einst sagte, dass man als weiblicher Popstar nicht höher kommen könne als sie. Nur Bonnie Raitt, Madonna oder Yoko Ono hätten das bisher noch geschafft. Nun ist solch eine Aussage zugegebenermaßen alles andere als objektiv, aber es gibt auch eine ganze Reihe Fakten, die belegen, dass Janet Jackson eine der erfolgreichsten Popmusikerinnen aller Zeiten (gewesen) ist. 160 Millionen verkaufte Tonträger und fünf Grammys sprechen dahingehend eine klare Sprache.

Janet Jackson also, die mittlerweile 58-jährige (heimliche) Queen of Pop, eine der reichsten Frauen im Show-Business und 2004 Hauptprotagonistin der sogenannten „Nipplegate“-Affäre, trat gestern Abend in der mit etwa 10.000 Besuchern nicht ganz ausverkauften Kölner Lanxess-Arena unter dem Tourmotto „Together Again“ auf. Die modischen Vorzeichen stehen auf Glamour, auf Extravaganz und Glitzer. Haben sich viele Fans der Sängerin doch in Pailletten-Kleider oder Schulterpolster-Sakkos geworfen. Der samtgraue Volant-Vorhang in breiter Röhrenform, der die Bühne mittig ausfüllt, passt da voll ins Schema. Und als sich schließlich zu den Electronic-Beats von „Jus Dance“ die fünf Tänzer des Megastars sukzessive einer nach dem anderen in Anzug und Knickerbocker-Hose in Szene setzen, und das Publikum kurz darauf Blick auf Jackson selbst erlangt, weil der Vorhang sie in ihrem weißen Ballkleid frei gibt, können viele es immer noch nicht richtig fassen. „Oh mein Gott, sie ist wirklich hier!“ und „Janet, we love you!“ schreien einige der Fans, noch bevor die „I woke up in Heaven in the morning / With the biggest smile upon my face“ in ihr Headset singt.

Wobei: Das mit dem Singen und Janet Jackson ist so eine Sache an diesem Sonntagabend. Wirkt ihre Stimme doch über weite Strecken der Show fahrig, dünn und angreifbar. Als hätte jemand Frischhaltefolie enganliegend an ihren Stimmbändern befestigt. In einigen Songpassagen scheint Jackson im Halb-Playback stecken zu bleiben. Doch das soll die kommenden anderthalb Stunden Pop-Maschinerie nicht trüben. Sowieso sind die Fans – neben dem Permanent-Tanz - mit ganz anderen Dingen beschäftigt, wie zum Beispiel darüber zu staunen, wie viel Ähnlichkeit sie doch mit Michael habe. Und in der Tat: Es gibt Momente während des Konzerts, zum Beispiel bei „Love Will Never Do“, in denen man seinen Augen beziehungsweise Ohren nicht trauen kann. Was man wissen muss: Die Show ist in insgesamt vier Blöcke unterteilt, die eine teils albumspezifische, teils musikalische Semantik in sich tragen. Im zweiten Block gibt‘s die R 'n' B-lastigeren und funky-Nummern mit „You Want This“ oder „I Get Lonely“, der dritte Abschnitt ist pure Rhythmusgymnastik. Es lebe der Disko-Beat. Viel Luft zum Durchatmen haben weder die fünf hervorragenden Tänzer, noch die Zuschauer, noch Jackson selbst. Ein Song folgt dem nächsten. Nur die kurzen Umkleide-Päuschen lassen Zeit für etwaige Tonband-Einspieler der Pop-Diva: „51 Jahre bin ich schon nun in diesem Business. Und ich bin sehr froh darüber. Ich liebe euch“, säuselt sie. „Janet, we love you!“, schallt es da erneut von den Rängen. Als sie fast am Ende der Show „Scream“ performt, verfällt die Arena vollends dem Jackson-Wahn. Die Halle bebt. 

Danach formt Miss Jackson diese typischen Herzen mit ihren Fingern und „wirft“ sie ihren Fans entgegen. Dabei flüstert sie „Whoops now, sorry I can't go“ und „God bless you, Cologne“ ins Mikro. Dann ist sie weg. Beeindruckend. Janet Jackson.


Erschienen in der WAZ

Zurück
Zurück

Hip-Hop-Kaiserin Lauryn Hill und die Fugees sind zurück in Köln

Weiter
Weiter

Warum die Jonas Brothers eine (fast zu) perfekte Pop-Show liefern