Fehlfarben zeigen sich fair und bringen Altpunker zum Singen
Düsseldorf (kle) Szenario: Volksgarten. Auf der Ballonwiese. Ein blickdichter Zaun umrahmt das kleine Konzertgelände. Es spielen an diesem Abend Die Mimmies, Östro 430 und: Fehlfarben. Und die betreten erst um kurz vor halb zwölf die Bühne. Seit mehr als 42 Jahren gibt es die Düsseldorfer Post-Punk-Band nun schon. Einen fulminanten Konzertauftakt brauchen die mittlerweile etwas in die Jahre gekommenen Musiker um Sänger Peter Hein nicht mehr. Verstärker an. Rückkopplung vorhanden. Saskia von Klitzing zählt mit ihren Drumsticks an: „Eins, zwei, drei, vier.“ Das muss reichen. Los geht es mit „Hier und jetzt“.
Leichtfüßig tänzelt Hein in seinem weißen Leinenensemble und dem darüber gezogenen braunen Sakko mit Schulterpolstern von rechts nach links. Etwas verwirrt wirkt er. Noch nicht so ganz da. Zu verstehen jedenfalls sind seine Worte nur sehr schwer bei den ersten Songs. Schlimm ist das aber nicht. Denn: Die meisten der etwa noch 300 verbliebenen Zuschauer kennen jede Textzeile der Kultband, die sich Anfang der achtziger Jahre aus der Szene um den Ratinger Hof heraus gebildet hat. „Ich habe das alles schon tausendmal gesehen / Ich kenne das Leben, ich bin im Kino gewesen“ aus dem Song „Grauschleier“ singen sie dann einfach lauthals mit. Und auch bei „Gottseidank nicht in England“, „All That Heaven Allows“ oder „Apokalypse“ geben sich die alten Punker im Publikum mit Flens in der Hand textsicher.
Das ist es dann aber auch erst einmal nach einer guten Viertelstunde mit ihren alten Nummern. Durchgepeitscht haben Fehlfarben die, denn ihr Zeitfenster ist eng gesteckt. Um zwölf würden die Lichter an- und der Ton ausgehen, grummelt Hein ins Mikro. Dass Östro 430 zuvor Probleme hatten, sich konsequent von ihren Fans zu verabschieden, erwähnt er fairerweise nicht. Für solche Seitenhiebe bleibt den alten Hasen der deutschen Punkszene aber auch gar keine Zeit. Sie spielen, was das Zeug hält. Die instrumentale Dynamik und der Soundteppich verändern sich mit den neueren Stücken enorm. „Platz da!!!“ passt da wie die Faust aufs Auge. Der Bass wummert endlich, wie er es sollte. Das Schlagzeug hämmert sich erbarmungslos hinter die Augenhöhlen. Die Synthesizer entfalten ihre ganze Strahlkraft. Und Hein: Der ist zu verstehen. Endlich. „Wir haben immer gewusst wie man absahnen kann / Also Platz da!!! Mach den Weg frei.“
So einfach allerdings sind die Botschaften der Lieder von Fehlfarben nicht immer zu begreifen. Vermischen sich in ihren Texten doch allzu oft konkrete Alltagszenen mit einer teils kryptisch anmutenden Bildsprache. Vor allem über die müsste man als Zuhörer erst einmal nachdenken können. Denn nicht sofort kann man nachvollziehen, was mit „Ein Museum der Generationen / Eine Rumpelkammer vom Rummelplatz“ in „Stadt der 1000 Tränen“ gemeint ist. Vielleicht ist das für einige Zuschauer zu schwere Kost, vielleicht ist es ihnen mittlerweile aber auch einfach nur zu spät oder zu kalt. Das Feld der Zuschauer jedenfalls lichtet sich zusehends. Das ist schade. Die Frühgeher verpassen nämlich den musikalischen Höhepunkt der Show: „Paul ist tot“. Auch wenn Hein selbst nicht mehr der Fitteste zu sein scheint - er stolpert das ein oder andere Mal über seine Beine - und einige Besucher sich besorgt zeigen, seine unverkennbar aggressiv-melodische Stimme dringt nach wie vor kraftvoll über alle Iros hinweg auf die Ballonwiese: „Was ich haben will, das krieg‘ ich nicht / Und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht.“ Um kurz nach zwölf verlässt die Band bei atmosphärischen Gitarren- und Keyboardklängen die Bühne. Die Lichter gehen an. Der Ton geht aus.