Alicia Keys überzeugt Kölner Publikum erst ab einem Bühnenwechsel
Köln (kle) Gut erkennen kann man sie kaum, als pünktlich um neun die Musiker der Band um Alicia Keys die Bühne der Lanxess Arena betreten. Denn die ist noch dunkel. Aber einige der etwa 12.000 Konzertbesucher sind zu aufmerksam, als dass sie die Bewegungen hinter den aufgestellten Keyboards und Drums nicht mitbekommen würden. Das Gekreische ist also groß. Einige Sekunden später dann findet es seinen Höhepunkt: Die hintere Bühnenleinwand schiebt sich mittig entzwei, ein greller Lichtstrahl stößt durch die sich auftuende Lücke. Erst erkennt man nur ihre Konturen, dann steht sie wie eine Diva mit Mikrofon in der Hand auf der obersten Showtreppe: Alicia Keys. Geheimnisvoll singt sie „Show off a side that no one sees“.
Der Anfang: Perfekt gelungen. Keys stolziert in seichten Bewegungen die vier Stufen herunter. Sie genießt den Jubel sichtlich. Es sind nicht die extravaganten Spezialeffekte, die die gebürtige New Yorkerin ihren Fans bietet. Es ist vor allem sie selbst, ihre Stimme und es sind ihre Songs, die eine enorme Sogkraft entfalten. Und der kann man sich nur schwer entziehen. Schon früh setzt sie an zu „Baby, baby, baby, from the day I saw you“. Wer kennt sie nicht, die schüchterne Leichtigkeit der Melodie und dieser ersten Textzeile von „You Don’t Know My Name“? Das war einer ihrer ersten Hits. 2003. Das Publikum ist entzückt. Ein paar fangen an zu tanzen. Vorsichtig.
Denn: Eine richtige Verbindung zwischen Keys und dem Publikum gibt es in dieser frühen Phase des Konzertes noch nicht. Dafür ist der Sound in der Arena viel zu undifferenziert und viel zu bauchig. Es wummert und scheppert an allen Ecken und Enden. Die 16-fache Grammy-Gewinnerin müht sich redlich ab, diesem Klangproblem entgegenzutreten. Symbolisch für die Situation: Der Song „Wasted Energy“. Eine leichte Irritierung macht sich breit auf den Rängen. Einigen Zuschauern sieht man die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Keys Songs bräuchten einen zurückhaltenden Soundteppich, der ihre Stimme trägt. Aber die muss sich gegen teils überlappende Ober- und Untertöne zur Wehr setzen. Das ist schade.
Soviel sei vorweggenommen: Der Sound wird besser. Und die Stimmung gelöster. Manchmal ist für sowas ein Ortswechsel von Nöten. Und den gibt es dann auch. Nach „LALA“ verhüllt ein weißer Vorhang die Bühne. Die Band spielt weiter. Schatten der Musiker sind auf dem Vorhang zu sehen. Plötzlich: Ein kleines Blitzlichtgewitter an der Südtribüne. Zunächst ist schwer zu erkennen, was sich am anderen Teil der Halle zu ereignen scheint. Aber dann wird klar: Fans filmen und fotografieren ihr Idol. Keys bahnt sich mit Begleitschutz ihren Weg in die Mitte der Arena. Dort stellt sie sich auf eine kleine Bühne. Die fährt mit ihr hoch. Etwa drei Meter. Und dann spricht sie mit dem Publikum, „how are you feelin tonight, Cologne?“, spielt Songs wie „Skydive“, „Only You“ oder „My Boo“, stellt eine Nähe zu ihren Fans her, die bislang gefehlt hat. Das ist wundervoll zu beobachten. Das ist der stärkste Moment des Abends. Und: Die Soundprobleme sind wie weggepustet. Bei „Empire State of Mind“ brechen schließlich alle Dämme. Keys badet in der Menschenmenge und tänzelt gekonnt zurück zur Hauptbühne. Der Unterrang vibriert und wackelt wie verrückt. Die Menschen schreien zusammen mit Keys „Now you’re in New York“. Und das in Köln.
Der Rest ist schnell erzählt: Es folgt ein Hit nach dem anderen. „Girl on Fire“, „Underdog“, „No One“ und auch „Fallin‘“. Vor allem Letztgenannter offenbart, dass es nicht viel braucht, um berührt zu werden. Keine Show. Kein Brimborium. Nur den Song. Keys. Und das Publikum. Und Alicia Keys wäre nicht Alicia Keys, wüsste sie das nicht: „It’s magic, we’ve made this night magic. I love you Cologne!“