Curtis Harding - erst mit dem Funk springt der Funke endlich über

Düsseldorf (kle) Curtis Harding, US-amerikanischer Soulsänger, der seit 2017 vor allem durch den Song „Need Your Love“ einem breiteren Publikum in Europa bekannt wurde und schon als Support von Lenny Kravitz und Jack White unterwegs war, machte im Rahmen seiner „If Words Were Flowers“-Tour gestern Abend Halt im Düsseldorfer Zakk. Das Biergarten-Wetter, so eine Vertreterin des Veranstaltungs-Teams, habe wohl einige spontane Konzertbesucher eher daheim im Garten sitzen lassen, als ins Kulturzentrum zu kommen. Daher war das Konzert nicht restlos ausverkauft.

Schwül-warm war es also in der Halle, als zuerst die Band und ein paar Sekunden später auch Harding selbst zum Band-Einspieler „Wake Up Everybody“ von Harold Melvin & The Blue Notes die Bühne betreten. Einen Jutebeutel trägt er dabei lässig über seiner Schulter. Als käme er geradewegs aus dem Netto. Ambitioniert beginnt der Schlagzeuger mit dem treibenden Beat von „On And On“, die Bassistin schaut ihn währenddessen grimmig an; hat sie ihren E-Bass doch noch gar nicht umgehängt. Ein paar Takte später schließlich steigt sie mit ein. Angepisst ist sie. Das sieht man. Die Nummer hat Drive, keine Frage, nur nicht hier und nur nicht jetzt. Professionell rattern sie den Song herunter. Danach gibt es eine kurze, aber heftige Aussprache zwischen den beiden. Dann lachen sie wieder zusammen. Noch einmal gut gegangen.

Aber auch im weiteren Verlauf des Konzerts kommt die Band nicht so richtig in Fahrt. Mit ihren Sonnenbrillen und ihren hölzernen Bewegungen kommen sie wie eine zusammengewürfelte und gedankenverlorene Mafia-Truppe daher, die Harding auf dem Weg nach Düsseldorf aufgegabelt hat. Vor allem jedoch liegt es an der Songauswahl, die so wenig dynamisch und für einen Gig-Start so wenig konzeptionell ist. Die Lieder kleben förmlich aneinander. Das Gleitmittel zwischen ihnen fehlt. Erst mit „Can’t Hide It“ geht die Show so richtig los: Dieser Song, dessen Gitarren-Riff so gut geeignet für einen neuen Tarantino-Streifen wäre, ist ein verspäteter Konzert-Auftakt nach Maß.

Hardings Nummer „Explore“ ist wieder so ein Tarantino-Ding, schweben seine Lieder doch erst oft angenehm-arrogant wie ein mit Helium aufgeblasener Luftballon durch den Raum, bevor er sie dann ein ums andere Mal mit seinen tiefschürfenden Gesangsmelodien abschießt und auf den Boden der Tatsachen holt. „Den Song mag ich total!“, ruft eine Freundin ihrer Nachbarin ins Ohr. Generell ist Hardings 2021 veröffentlichtes Album „If Words Were Flowers“ so eins, das man mehrmals am Tag hören kann, weil es Suchtpotenzial besitzt. Und doch: An die Seelen-Schwere eines Michael Kiwanuka kommen die Nummern von Harding nicht heran. Noch nicht. Dafür müsste er sich innerhalb seiner Arrangements noch mehr trauen, noch stärker unerwartete tonale Wendungen und Brüche zulassen. Wenn er das denn überhaupt will.

Am Ende wird durch „Heaven’s On The Other Side“ der Soul eingemottet und der Funk herausgeholt. Fehlen eigentlich nur noch die Leucht-Cubes in den Bodenplatten, und: John Travolta. Aber wer braucht den schon, wenn man auch selbst das Disko-Bein schwingen kann. Gesagt. Getan. Mit dem Funk springt der Funke endlich über. Die Band und Harding werden abgefeiert. Und, na klar, als Zugabe kommt noch „Need Your Love“. Mit diesem Ohrwurm geht es wieder raus in die schwül-warme Sommernacht. 


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