Was für ein schöner Abend mit den Broilers
Düsseldorf (kle) „Was für ein schöner Abend“, spricht Sammy Amara, Sänger der Düsseldorfer Punkband Broilers, nach fast zweieinhalb Stunden Konzert mit letzter Kraft ins Mikro, bevor er schließlich unter tosendem Applaus ungläubig die Bühne der Mitsubishi Electric Halle verlässt. Die 7.000 Fans singen noch Minuten später „Oh, oh, oh / Schenk mir eine Blume“.
Doch von vorn: Ungewöhnlich mild ist es an diesem Donnerstagabend in Düsseldorf. Die Luft riecht nach Frühling. Man hört Vogelgezwitscher aus dem nahegelegenen Volksgarten. Vor der Mitsubishi Electric Halle liegen zahlreiche zerborstene Bierflaschen herum. Und drinnen: Da ist es schwül-warm. Wassertropfen kullern die Scheiben herunter. Einige Fans der Düsseldorfer Kultband tragen Lametta um den Hals. Oder LED-Cubes auf dem Kopf. Es blinkt und blitzt. Die Stimmung ist ausgelassen. So richtig familiär. Um Punkt neun wird dann „Gotta Go“ von der US-amerikanischen Hardcore-Punkband vom Band gespielt. Die Broilers stehen da noch nicht auf der Bühne, aber warm gepogt wird sich schon einmal. Als dann der Vorhang mit der Aufschrift „Niemand Wird Zurückgelassen“ fällt, geht sofort die Post ab. Die Nummer „Zurück zum Beton“ lässt die Pogo-Herzen höherschlagen, die Band wirkt fokussiert, Ines Maybaum tänzelt leichtfüßig umher, ihre Basslinie nimmt sie dabei immer mit. Sie lächelt übers ganze Gesicht.
„Weihnachten feiert man mit der Familie“, ruft Amara kurz darauf seiner Gefolgschaft zu. Dass er sich schwer tut mit dem traditionellen Weihnachtsfest, man kann es erahnen, vor allem dann, wenn er während des Konzerts das ein oder andere Mal vom „Weihnachts-Geist“ spricht und dabei sein süffisantes Lachen nicht verstecken kann. Überhaupt ist Amara, der dem jungen Robert De Niro wie aus dem Gesicht geschnitten ist, nicht unbedingt der Freund der großen Worte zwischen den Songs. Trotzdem schafft er es oft, ihre Titel geschickt in ein kurzes Narrativ einzubetten. Das ist total sympathisch und total nah dran am Publikum. Das will nämlich keine lang geschwungenen Reden hören, das will Party, das will den Punk. Und den, zusammen mit ein bisschen Ska, bekommt es dann auch mit „Harter Weg (Go!)“ und „33 RPM“. Der Innenraum tanzt eine Art Pogo-Polonaise, die Halle singt „Ganz egal ob ich Blut schwitz, bittere Tränen wein / Alles erträglich, es muss nur immer Musik da sein“. Spätestens jetzt verlässt auch Ronald „Ron“ Hübner seine Komfortzone. Er taut auf, hüpft adrenalin-gesteuert mit seiner Gitarre über die Bühne. Sein Iro kommt da manchmal gar nicht hinterher.
Einen Gang runter schaltet die Band erst bei „Ihr da oben“, denn: Nun sei es Zeit für ein bisschen Traurigkeit, flüstert Amara. Die Permanent-Party-Meile verwandelt sich ad hoc in ein Lichtermeer und in eine riesige Trauergemeinschaft. Auf den beiden Leinwänden neben der Bühne erscheint eine Foto-Collage mit den Menschen, die in den letzten Jahren von uns gegangen sind. Das ist emotional, das berührt die Zuschauer. Die Mitsubishi Electric Halle hält den Atem an. Aber nur kurz. Schon bei „Die Beste aller Zeiten“ löst sich der Trauer-Kloß, die Ränge erwachen zu neuem Leben. Tanzende Weihnachtsmann-Zipfelmützen, so weit das Auge reicht. Und Weihnachtslieder, so lang die Ohren die hören können, meint man. Amara singt „Merry Christmas (I Don’t Want To Fight Tonight)“ von den Ramones, während der Rest der Band dazu an einem spontan auf die Bühne geschobenen Glühwein-Stand schunkelt. Natürlich darf an einem solch denkwürdigen Abend auch nicht „Fairytale of New York“ von den Pogues fehlen. Dass die Broilers Doro Pesch für diese Nummer engagiert haben, ist einigermaßen überraschend. So richtig kapiert man das daher auch erst, als sie schon längst wieder von der Bühne verschwunden ist.
Mit der Zugabe versiegt schließlich die weihnachtliche Atmosphäre, der Zipfelmützen-Pogo beginnt von vorn. Bei „Meine Sache“ versinkt die Halle endgültig im Broilers-Rausch. Was für ein schöner Abend. Recht hat Amara.