Status Quo - „Sich selbst neu erfinden hilft eher nicht“
Köln (kle)
Sie gelten als eine der erfolgreichsten Bands der Rock- und Popgeschichte: Status Quo. Mit Songs wie „Whatever You Want“ oder „In the Army Now“ erlangte sie Weltruhm. Am 16. September 2022 wird ihr neues Best-Of-Album „Quo’ing in – The Best of the Noughties“ erscheinen, das sich insbesondere der Arbeit von Status Quo im neuen Jahrtausend widmet. Seit September touren die Altrocker fleißig durch Deutschland und auch in NRW werden sie live zu sehen sein: Am 14.11. in Krefeld und am 05.12. in Düsseldorf.
Unser Autor Jörg Klemenz erhielt vor einigen Tagen die Möglichkeit mit dem Sänger, Gitarristen und Gründungsmitglied der Band - Francis Rossi - ein Interview zu führen.
Ich danke Ihnen, Herr Rossi, dass Sie sich heute Zeit genommen haben, um mit der Rheinischen Post zu sprechen. Wie geht es Ihnen?
Danke, mir geht es gut. Ich werde morgen wieder in den Tourbus einsteigen und dann geht es seit so langer Zeit wieder los. Ich bin so froh bis zum Winter wieder auf Tour sein zu dürfen. Wir starten in Germersheim. Da treffen wir auch auf die Jungs von Nazareth und Uriah Heep. Ich freue mich wirklich sehr, sie mal wiederzusehen. Und vor allem freue ich mich auf die Fans. Mittlerweile bin ich 73. Und ich bin glücklich.
Die Band habe am Anfang des Jahrtausends unter enormem Druck gestanden, erzählen Sie im Rahmen einer Pressemitteilung zu ihrem neuen Best-of-Album. Inwiefern?
Das mit dem Druck ist ja schon immer so gewesen, wissen Sie. Schon in den 60ern, in unseren Gründungsjahren, hatten wir den. Da klappte am Anfang nicht viel. Die Plattenfirma ließ uns hängen. Aber wir machten weiter. Dann kamen sehr erfolgreiche Jahrzehnte für uns mit den 70er- und 80er-Jahren. Und immer hieß es, da sind neue, junge Bands mit coolem Sound. Ihr müsst euch anpassen. Plötzlich gab es so einen Hype um die Jahrtausendwende, alle um uns herum sprachen von dem Neuen, das jetzt endlich kommen wird. Das war schon echt hart als Rockband, das immer wieder so zu hören. Neues hier, Neues da. Ich glaube nicht, dass alles immer neu sein muss. Ich denke, es geht vielmehr darum, etwas zu mögen, es geht um den berühmten Wow-Moment. Eben noch habe ich den bekannten Song von Richard Marx „Right Here Waiting“ im Radio gehört. Das ist ein Liebeslied. Mögen Sie Liebeslieder? Liebeslieder bleiben Liebeslieder. Da gibt es nichts Neues. Alle Bands haben sich verrückt gemacht, als es um den Übergang ins neue Jahrtausend ging. Man fühlte sich beinahe wie ein Art Subjekt, abhängig alleine vom Puls des neuen Jahrtausends, den es so in der Intensität, wie ihn die Plattenfirmen vielleicht haben wollten, gar nicht gegeben hat. Wie will man also diesem Druck standhalten? Das Beste ist, man macht es so, wie man es schon immer gemacht hat. Morgen spielen wir in Germersheim, danach in Paris. Glauben Sie denn, ich spiele heute anders als morgen oder übermorgen? Man gibt alles. Jedes Mal. So einfach ist das.
Können Sie mit der Phrase „Sich selbst neuerfinden“ etwas anfangen?
Ich habe diesen Satz schon oft gehört. Madonna hat ihn ja für sich beansprucht. Wenn ihre Haare plötzlich eine andere Farbe hatten oder sie etwas an ihren Brüsten veränderte, sagte man über sie, sie habe sich neu erfunden. Aber was soll das bedeuten? Wir leben in einer schrecklichen Welt, die zu einem großen Teil nur aus Marketing besteht. Heutzutage einen guten Song zu hören, hat keine große Bedeutung mehr. Man kann alles - auch Musik - überall und zu jeder Zeit schnell und beliebig käuflich erwerben. Hochladen. Posten. Teilen. Den besonders langanhaltenden Moment, den gibt es so nicht mehr. Ich persönlich möchte das so nicht. Und der Begriff des Sich- Neu-Erfindens hat meiner Meinung nach überhaupt keine Relevanz. Jedenfalls nicht im Show-Geschäft. Der Geist der Zeit bestimmt, was angesagt ist, gewesen ist und sein wird. Natürlich ist der Zeitgeist auch stark gekoppelt an die neue Generation und an die Frage, was sie eben mag oder nicht mag. Wie dem auch sei: Ich würde die Phrase „Sich selbst neu erfinden“ durch die Phrase „Das Leben ist wie eine Achterbahnfahrt“ ersetzen. Die trifft es viel besser, finde ich. Denn auch während man im Leben so rauf- und runterfährt, kann man einen Hit nach dem anderen schreiben. Man muss sich nur irgendwo gut festhalten, wenn man durchgeschüttelt wird. Das Sich-Selbst-Neu-Erfinden-Ding hilft einem dabei eher nicht.
Im Rahmen der oben bereits erwähnten Pressemitteilung sprechen Sie von der Leidenschaft zur Musik und von der Energie immer weitermachen zu können. Beides habe sich während Ihrer Karriere nicht verändert. Was genau treibt Sie denn an immer wieder weiterzumachen und: Was inspiriert Sie (noch)?
Früher hatte ich immer Angst davor, dass ich nichts erreichen könnte im Leben. Natürlich liebe ich meinen Erfolg, das Geld, meinen Lebensstil, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist schön, sich Dinge leisten zu können. Aber das ist nicht alles und ich bin weiß Gott nicht der Typ, der sich jeden Tag selbst auf die Schulter klopft und sagt, was für ein geiler Musiker er sei. Ich bin so dankbar dafür, was ich erreicht habe. Aber ja, die von mir angesprochene Angst ist nie wirklich richtig verschwunden. Sie steckt in mir, diese Verlustangst. Und sie trieb mich irgendwie auch immer weiter an, Musik zu machen. Vor allem ist es aber auch das Kribbeln, das unbeschreibliche Gefühl von Energie vor einem Konzert. Ich liebe es auf der Bühne zu stehen. Und ich habe nie aufgehört, es zu lieben. Für mich wurde es nie zu einer Routine. Es hat sich nie abgenutzt. Die Beziehung zwischen mir und der Bühne ist bis heute eine besondere.
Sie sagen über sich selbst, sie seien nicht der Typ für Nostalgie. Was sagen Sie Ihren Fans, die zu Ihren Konzerten kommen, um vor allem Ihre guten alten Songs zu hören?
Ich glaube, man kann es mit Nostalgie gar nicht übertreiben, da sich jeder Mensch samt seinem Umfeld sowieso immer in einem bestimmten Entwicklungsprozess befindet. Kunst wird durch den Wandel der Zeit aus anderen Perspektiven wahrgenommen. Den Fans, die heute zu unseren Konzerten kommen, geht das ja genauso. Natürlich wollen sie die alten Songs genießen, aber sie nehmen sie auch anders wahr als noch vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Das jedenfalls hoffe ich. Und mir geht das ja genauso. Ich spiele die Songs von 1975 ja auch nicht mehr so, wie noch vor 50 Jahren. Das ist ja gar nicht möglich. Die Technik hat sich verändert, Bandmitglieder sind gegangen und gekommen und haben ihre musikalischen Interpretationen in die Songs miteinfließen lassen, alte Nummern erhalten wieder eine neue Relevanz vor aktuellen gesellschaftspolitischen Hintergründen. Außerdem ist jedes Konzert anders und einzigartig. Nostalgie ist daher etwas recht Kurzlebiges.
Meine letzte Frage: Wenn Sie beispielsweise Backstage kurz mit einer jungen Band sprechen, was raten Sie ihr?
Das kommt darauf an, wie jung die Band tatsächlich ist. Sind es noch Teenager und haben sie keine Ahnung, wie das so läuft im Musikgeschäft, dann rate ich ihnen, mich anzuschauen und es weiter als Hobby zu betreiben. Oft können die jungen Menschen noch nicht die negativen Seiten dieses Berufes abschätzen. Sie sehen nur den Erfolg. Sind sie etwas älter, dann rate ich ihnen mir zuzuhören. Und kämpfen sollten sie auf jeden Fall können. Aber die heutige Generation wird viel stärker emotional gestärkt als früher die meine. Schon in der Schule und zuhause hören die Kinder oft, wie gut sie etwas können. Vielleicht sogar zu oft. Meine Generation hörte immer nur, dass sie etwas nicht könne. Das hat mich und meinen Willen stark geprägt. Definitiv. Aber das Wichtigste für diese junge Band ist: Nehmt das Steuer selbst in die Hand.
Ich bedanke mich herzlich für Ihre Zeit, Herr Rossi. Bleiben Sie gesund.