Mal schnell durch Macbeth mit Giles Abbott

Neuss (kle) Als Giles Abbott am frühen Samstag-Abend auf die Bühne des Globe-Theaters tritt, ist es draußen ziemlich windig. Man könnte sogar von einem kleinen Sturm sprechen, der da über das Festival-Gelände fegt. Unheimlich müsste das nicht sein. Eigentlich. Würde Abbott, der Meister des Storytellings, zu Beginn seiner Geschichte über Macbeth nicht direkt auch von den drei „Weird Sisters“, den drei schicksalhaften Hexen, berichten, die dem königlichen Heerführer dessen Aufstieg zum König prophezeien. Und wer die Original-Szene aus der Tragödie von William Skakespeare kennt, weiß, dass da ein gewaltvolles Gewitter aufzieht, als die drei Schicksals-schwestern zusammentreffen und unheilvoll „Sagt, wann treffen wir drei zusammen / Wenn Donner krachen oder wenn Blitze flammen?“ durch die schottischen Highlands jaulen.

Abbott also hätte sich kein besseres Setting für seinen Auftritt wünschen können. Zwischendurch klappert es immer mal wieder an den Türen des Globe, und der Brite, der sich zu Beginn des Jahrtausends in einem Pub in West Yorkshire in das traditionelle Geschichtenerzählen verliebt hatte und seitdem für diese Kunst mehrfach ausgezeichnet wurde, schaffte es innerhalb weniger Minuten, dem Publikum die Rahmenhandlung und die wichtigsten Protagonistinnen und Protagonisten des Fünf-Akters zugänglich zu machen. Das ist beeindruckend. In der Tat. Denn: einfach ist das nicht. Muss man als Zuhörerin und Zuhörer doch erst einmal grob in den historischen und kulturellen Kontext des Stücks eintauchen können und wollen und sich Namen wie Macbeth, Duncan, Malcolm, Donalbain, Banquo, Fleance oder Macduff merken. Schwindelig werden könnte einem dabei, Evelyn Hamann hätte ihre wahre Freude beim Vortragen dieser Namen und für alle Englischlehrer der Republik ist es wohl mehr als verständlich, wenn ihre Schülerinnen und Schüler die berühmt-berüchtigte Reclam-Ausgabe des Macbeth vor lauter Frust auch mal in die Ecke pfeffern.

Aber Abbott wäre nicht Abbott, würde er all das nicht wissen und nicht darauf vorbereitet sein. Und so zieht er die Handlungsstränge des Klassikers geschickt zusammen, überfliegt hier und da mit einem leichten Augenzwinkern Szenen, die ihm weniger wichtig erscheinen und hebt stattdessen durch dynamische Mimik- und Gestik-Variationen die Charaktere der einzelnen Figuren hervor. Herrlich, wie er so beispielsweise die Durchtriebenheit der Lady Macbeth ein ums andere Mal inszeniert: „Mir scheint, werter Gemahl, du scheinst recht erfolgreich darin zu sein, ein abendliches Diner zu boykottieren.“ Die Zuschauerinnen und Zuschauer jedenfalls sind Abbotts Erzähl-Charme von Minute eins an erlegen. Und, na klar, nach etwa einer Stunde kommt es, wie es kommen muss: Macbeth Schreckensherrschaft wird niedergeschlagen, er wird getötet, und die Ordnung in Schottland wieder hergestellt. Draußen scheint mittlerweile wieder sie Sonne.       


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