Ein Tagesausflug nach Winterberg - bitte nicht schwindeln!

Winterberg (kle) Das erste, das man wissen sollte, wenn es zum Erlebnisberg Kappe geht: Das wird kein leichter Weg. Denn das Hochsauerland ist nicht gerade bekannt für seine moderne Infrastruktur. Kommt man also von Westen her über die A4 angefahren, ist Olpe Dreh- und Angelpunkt für alle Camper, Biker oder Tagesausflügler. Und von dort überfluten sie dann mithilfe der vorhandenen Bundes- Land- und Ackerstraßen das Mittelgebirge in alle Himmelsrichtungen. Winterberg, der Ort unseres heutigen Ziels und bundesweit berühmt für seine Bob-, Wok- und „War das eine Schneeflocke, Schatz? – Lass uns nach Winterberg fahren!“ – Weltmeisterschaften, mag ganz besonders von eben jener Touristenflut betroffen sein. In erster Linie jedoch mag es wirtschaftlich von ihr profitieren. Der Erlebnisberg Kappe und dessen Drumherum steht sinnbildlich für diese beiden Seiten. Das wäre daher das zweite, das man wissen sollte, wenn man sich gute zwei Stunden ins Auto setzt und aufmacht in den Hochsauerlandkreis.

Die wissenswerte Nummer drei: Es gibt ausreichend Parkplätze am und um den Park herum. Denn auch, wenn es voll werden sollte: Ausweichflächen an den einzelnen Gondelstationen gibt es genug. Vor allem die begehrten Schattenplätzchen werden gerne von den Campern genutzt. Und bitte halten sie ihr Kind an der kurzen Leine, solange sie sich auf der Parkplatzfläche aufhalten. Adrenalin-gesteuerte Downhiller – das sind Mountainbiker, die den Berg meist nur herunter- und nur selten hinauffahren – rasen in zum Teil halsbrecherischen Geschwindigkeiten und ohne Rücksicht auf Verluste auf ihren vollgefederten Rädern an den Touristen-Normalos vorbei. Meistens auf zwei, aber gar nicht so selten auch mal auf einem Reifen. So zirkusreif und faszinierend dieses Biker-Schauspiel ist, so immens gefährlich ist es zudem. Hier fehlt von Seiten der Verantwortlichen, also von Seiten der Ortsverwaltung, ein klareres Sicherheitskonzept. Immerhin: Bunte Hinweis-Schildchen, auf denen ein niedlicher Ambulanzwagen wie aus einem Comic ausgeschnitten zu sehen ist, hängen eigentlich an allen Kreuzungsbereichen für jeden gut sichtbar aus.

Apropos niedlich: Ist bis dahin nichts Dramatisches geschehen, wird man als Besucher des Erlebnisbergs von einem putzigen Eichhörnchen begrüßt. Nicht wirklich physisch, aber zumindest visuell. Auf einem riesigen Begrüßungs-Schild nämlich ist das Maskottchen des Parks winkend aufgemalt, trägt ein T-Shirt mit seinem Namen „Kappi“ und grinst einen freundlich an. Unter Kappi steht „Herzlich willkommen!“ Das ist nett. Touristen und Kinder mögen so etwas. Und um sich erst einmal einen groben Überblick vom Parkgelände verschaffen zu können, ist folgendes – sozusagen Nummer vier aus dem Bereich „Wissenswertes“ – ratsam: Freunden sie sich mit der jungen Dame im Kassenhäuschen an. Denn die erklärt ihnen nicht nur, wie das hier mit den Tickets so läuft, sondern die drückt ihrem Kind zudem einen wirklich süßen Plan der gesamten Anlage in die Hand. Wie gesagt, seien sie einfach etwas nett zu ihr. Diesen Plan nämlich in den Händen zu halten lohnt sich. Erkennt man auf dem doch nicht nur, wo man sich gerade befindet, sondern darüber hinaus auch, wohin man noch gehen möchte, und: was es überhaupt so gibt im Park.

Die wissenwerte Nummer fünf: Da gibt es zum einen eine Sommerrodelbahn, die man herunterbrettern kann. Dass man während der Fahrt von einer kleinen Kappi-Attrappe fotografiert wird und der Fotoblitz einen unter Umständen für kurze Zeit etwas aus dem Gas- und vor allem Brems-Konzept bringen kann: sei es drum. Das lustige Bild kann man sich nach diesem Sommerrodel-Rausch bequem auf einem kleinen Bildschirm anschauen, gemeinsam darüber lachen und es sogar für vier Euro käuflich erwerben.

Direkt neben dem Ein- und Ausstieg der Rodelbahn gibt es eine nigelnagelneue Minigolf-Anlage. 18 Mini-Bahnen in Beton gegossen waren gestern. 18 Mini-Löcher auf Hightech-Kunststoffrasen sind heute. Der Ball rollt gut über den kurzen grünen Stoppel. Und wenn man ein bisschen Tempo macht beim Spiel, bekommt man nach etwa einer halben Stunde auch nicht den ausgeprägtesten Sonnenstich, sondern nur einen leichten. Ein Sonnenschutz fehlt der Anlage nämlich. Definitiv.

Mit dem leichten Sonnenstich im Gepäck geht es dann ein paar Meter weiter zum Einstieg in die sogenannte „Panorama Erlebnis-Brücke“. Das, was man wissen sollte, Teil sechs: Diese Brücke ist der absolute Wahnsinn für alle, die schwindelerregende Höhen lieben und für alle, die ihre Höhenängste schon längst überwinden wollten, aber im Wust des Alltags leider noch nicht dazu gekommen sind. Oder anders ausgedrückt: Sie ist ein absolutes Muss für jeden Besucher des Erlebnisbergs. Der auf Stelzen aufgesetzte Holzdielen-Pfad erstreckt sich in etwa einen halben Kilometer über das Areal der Parkanlage. Und mit „über“ ist tatsächlich über gemeint. So richtig über. Sind es doch im Durchschnitt schätzungsweise 20 Meter, die unsere Füße vom Boden entfernt sind. Zu all dem kommt die exponierte Lage der Brücke. Ein strammer Ost- oder Westwind lässt das Gebälk erzittern. Spürbar wankt die Konstruktion von rechts nach links. Vielleicht ist es ein wenig übertrieben zu behaupten, die Hoffnung darauf, dass die Architekten schon wussten, was sie da 2006 errichteten, wandelt ein Stück des Weges neben einem. Und vielleicht es genauso übertrieben zu erwähnen, dass sie einen dann auch noch kurzzeitig fies in die Seite kneift, als der Junior in einem der zahlreichen Kletter-Netze, die am Rand des Brückenstegs befestigt sind, vor Begeisterung schreiend umherrennt: „Papa, guck mal, mein Bein passt durch das Netz!“ Für schwache Nerven – Teil sieben der Dinge, die man für den Erlebnisberg wissen sollte – ist das natürlich nichts. Aber trainieren kann man die auf der Erlebnis-Brücke. Soviel steht fest. Was dann am Ende der Brücke auf die Besucher wartet: Das wird an dieser Stelle nicht verraten.

Der Rest ist schnell erzählt: Hat sich der Magen wieder einigermaßen stabilisiert und signalisiert er zudem ein „Papa, ich habe Hunger“- Gefühl, so empfiehlt sich das Bergrestaurant auf dem Gipfel der Kappe als wissenswerter Punkt Nummer acht, denn: Die Sicht von dort oben in das beschauliche Winterberg erhellt das Gemüt, es ist nicht ganz so überlaufen wie das Restaurant weiter unten am Eingang der Panorama-Brücke, und: ein gemütlicher Rundgang durch die Räumlichkeiten versetzt einen in eine Art wintersportliche Nostalgie. Sind die Wände des Restaurants doch übersät mit Fotografien aus längst vergangenen Tagen. Zu sehen sind berühmte Bobfahrer:innen, Politiker:innen oder TV-Stars und Sternchen, die irgendwann einmal im Rahmen irgendeiner Bob- oder Wok-Meisterschaft die Kult-Gaststätte besucht haben. „Tschüss, ihr zwei. Und grüßt mir Düsseldorf!“, ruft uns Sebbi, einer der Gastwirte, noch zu. Das haben wir etwa zwei Stunden später dann sehr gerne getan.       

“Herzlich willkommen” auf dem Erlebnisberg Kappe in Winterberg. Foto: J.G. Klemenz


Zurück
Zurück

Ein Tagesausflug zur Burg Vischering - Ritter Lambert und das eiserne Halsband

Weiter
Weiter

„Wir können die Welt nicht retten – aber diesen Baum“