Standing Ovations bei Kindermusical “Käferman“
Neuss (kle) Das erlebt man nicht oft: 500 Mütter und Väter schauen Richtung Bühne und alle Smartphones bleiben aus. Keine Fotos, keine Videos. Denn ihre volle Aufmerksamkeit gilt in der kommenden dreiviertel Stunde ausschließlich den rund 100 Grundschülerinnen und Grundschülern, die an diesem Sonntagnachmittag in der Neusser Stadthalle das Kindermusical „Käferman“ aufführen.
Kein großes Brimborium, nur ein kurzes rockiges Intro der Begleitband sensibilisiert das Publikum tonal und emotional für das, was da nun folgen wird. Ein Farbenfeuerwerk, die Kostüme der mutigen Einhundert – rot, grün, gelb und blau – sticht grell ins Auge, die vier Gruppen der Tulpen, Äpfel, Bienen und Spechte geben schon bei ihrem ersten Lied „Hier im Garten“ alles. Ordentlich aufgereiht füllen sie die komplette Bühnenlänge aus. Lampenfieber war gestern, jetzt zählt nur ihre eine Botschaft: „Hier im Garten, hier sind und hier bleiben wir!“ Bilder der jungen Wilden, die vor der Ukraine- und Coronakrise fast jeden Freitag lautstark und selbstbewusst auf unseren Straßen für ein Mehr an Klimapolitik demonstriert haben, entstehen automatisch. Die Botschaft identisch: Lasst uns anpacken, handeln, die Natur retten.
Die Verpackung heute Nachmittag anders: Ein Superheld der Gartenwelt - Käferman (Charlotte Duhme) - wird von den Tieren und Pflanzen unseres Gartens um Hilfe gebeten. Denn der profitgierige Herr Maier (Penelope Helmus) hat zuvor die beiden Gärtnerinnen (Johanna Pott / Lia Hoffmann) davon überzeugt, Unkrautvernichter im Garten einzusetzen. Weniger Arbeit. Mehr Ruhe, spricht er großkotzig und verschwindet. Aller Warnungen zum Trotz - „Fang nicht an zu sprühen!“ – fallen die zwei auf die Masche Maier herein. Resultat: Die Tulpen verwelken, die Spechte verstummen und die Bienen verschwinden. „Kein Zwitscher, kein Piep, kein Tirili.“
Doch ein Musical ist ein Musical, und ein Musical kann hier nicht das letzte Wort, nicht den letzten Ton haben.
Käferman, des Gartens letzte Hoffnung, wirbelt beim „Käfermanlied“ auf die Bühne, das „K“ funkelt rot auf seinem windschnittigen Heldenanzug. Das Publikum flippt aus. Vor Begeisterung. Und Käferman? Er sprüht vor Energie, Tatendrang ist sein zweiter Vorname. Die Geschichte wird gut ausgehen, soviel ist klar. Nur das macht Sinn.
Und sie geht gut aus. Am Ende ist nicht eindeutig klar, wie genau unser Held das geschafft hat, was andere nicht in der Lage gewesen sind zu schaffen – war es einfach nur seine Aura, waren es seine einfühlsamen Worte zu den Gärtnerinnen? – hier könnte man eine inhaltliche Kritik ansetzen, denn brauchen wir in Krisen eigentlich eine tatsächliche heldenhafte Führungsperson oder kann nicht jeder selbst Held seines kleinen Gartens sein? Um 15:20 ist jedoch für solche und andere Fragen kein Platz und keine Zeit. Standing Ovations. Der Saal bebt. Die Bienen, Blumen, Äpfel und Vögel sind gerettet.