Fola Dada: „Ich brauch‘ etwas mehr Bumms, Schätzle!“
Düsseldorf (kle) „You may kill me with your hatefulness / But still, like air, I’ll rise“ (Du kannst mich mit deiner Abscheu töten / Aber dennoch werde ich wie Luft aufsteigen) (Maya Angelou) – Gitarrist Jo Ambros, Bassist Josha Glass und Sängerin Fola Dada hängen wie drei Teenager auf Klassenfahrt witzelnd auf ein paar Stühlen vor der Bühne der Düsseldorfer Jazz-Schmiede ab und warten ein wenig ungeduldig darauf, dass Musikerkumpel und Schlagzeuger Oli Rubow seine letzten Schräubchen und Effekte final einstellt. Dann endlich gibt er grünes Licht: Die Probe, pardon, der Soundcheck kann beginnen. Ulf Kleiner, eigentlicher Pianist der Band, musste sich ein paar Tage zuvor aufgrund einer akuten Gallenstein-OP von der Tour verabschieden. Ambros ersetzt ihn spontan. Daher der Check zur Generalprobe.
Erst ein Zupfen hier, dann ein paar Schläge da, ehe Rubow zusammen mit Ambros und Glass in eine Offbeat-Phrasierung übergeht. Was ist das – Reggae-Beats in der Jazz-Schmiede? Wohl wahr. Die smoothe Schmiede-Halle verwandelt sich im Nu in den Doctor’s Cave Beach. Und Fola? Sie singt „We try to feel the flow / like thoughts just come and go“. Einsingen würde sie das wohl nennen. Das mag sein. Dennoch kräuseln sich einem die Härchen, wenn man ihre Stimme hört. Wäre sie ein Rückzugsort, ein Sehnsuchtsort, man könnte sie sich in etwa so wie eine einsame Holzhütte irgendwo in den endlosen Wäldern Kanadas vorstellen: so gemütlich, so warm, so unumstößlich und natürlich.
Zwischendurch halten die vier immer mal wieder ein Schwätzchen. Nil-Gänse zum Beispiel, die seien aggressiv, konstatiert man einstimmig. Dabei wird geschwäbelt, bis der Notarzt kommt. Verwunderlich ist das nicht. Kommen Dada, Glass und Rubow doch gebürtig aus der Stuttgarter Region. Die Stimmung ist gelöst, und aus dieser heraus sagt Rubow plötzlich „Danke Fola, dass wir heute hier mit dir zusammen vor ausverkauftem Hause spielen können“. Ein jeder Chef wäre heilfroh um solch positive Vibes innerhalb seiner Mitarbeiterschaft. Der Chef ist heute Abend eine Chefin, nein, vielmehr eine Dirigentin, und die flüstert prompt durchs Mikro zurück: „Ohne euch würde ich das nicht schaffen.“ Da sind schon wieder diese Härchen, die sich zu kräuseln beginnen. Doch die Szene rührseliger Wertschätzung zerschellt unsanft mit Dadas Worten „Ich brauch‘ etwas mehr Bumms, Schätzle!“. Mit „Schätzle“ ist Bassist Josh Glass gemeint. Der soll seinen Verstärker noch etwas lauter drehen. Bass, Bass. Fola braucht mehr Bass. Glücklich sieht sie aus.
Eine viertel Stunde später im griechischen Restaurant Café Mautz. Die Band hat geprobt. Und sie gähnt. Kollektiv. Ein langer Tag für das Quartett neigt sich seinem Ende entgegen. Dennoch: Der Höhepunkt, der komme noch, kommentiert Glass und grinst. Jedes Konzert sei einzigartig, ergänzt Dada. Glauben kann man das nicht jeder Band. Dieser schon. Und während Glass sich auf den Gyrosteller mit hausgemachten Pommes und Salat einlässt und die anderen sich gefüllte Zucchini, Hackbällchen in Tomatensoße und Pangasiusfilet mit Kartoffelpüree teilen, unterhält man sich über ernste Themen. Die Aufgabendichte eines Musikers zum Beispiel sei enorm (Booking, Unterricht, Konzerte, Social Media-Auftritt, Finanzen uvm.), erzählt Rubow mit großen Augen. Aber auf die Frage hin, ob das denn Grund für Resignation sein könne, fängt Frau Dada selbstbewusst an zu schmunzeln. „Resignation steht nicht zur Debatte“, sagt sie. Beim abschließenden Espresso bleibt einem dann doch noch das letzte Hackbällchen im Halse stecken, als Dada sich mit Glass über potenzielle Möglichkeiten unterhält, im Falle einer noch extremeren nationalistisch ausgeprägten Politik Deutschland verlassen zu können. In welch einer furchtbaren Zeit leben wir?
Um kurz nach acht platzt die Jazz-Schmiede aus allen Nähten. Die rund 300 Besucher wollen Fola Dada sehen. Und ihr zuhören. Sanft betreten die vier Freunde die Bühne. „Ersatzmann“ Ambros bringt das Publikum mit seinen talentiert-intuitiven Gitarrensoli zum Raunen. Wie ein streunender Kater zieht die Nummer „Nowhere Near“ mit ihrer rhythmischen Sprinkleranlage und den bassigen Spitzen durch den Saal. Männer in Schieberkappen und Frauen in eleganten Kleidern können nicht anders als sich im Takt zu bewegen. Die ganze Atmosphäre hat etwas von einem verrauchten Club in „Babylon Berlin“ mit angezogener Handbremse. Bei „We Will Heal“ schließlich hält die Schmiede für ein paar Sekunden den Atem an – „You may lose yourself in triumphs / But like air we rise/seeds/dust/spores“ (Du kannst dich in Triumphen verlieren / Aber wie Luft steigen wir auf / Samen / Staub / Sporen) (Fola Dada)